Die folgenden Texte zur Geschichte des Altertumsvereins vermitteln Ihnen einen Eindruck von verschiedenen Aktivitäten dieser Zeit. Weitere Informationen erhalten Sie in den jeweiligen Jahresübersichten, die in unserer Vereinszeitschrift „Westfälischen Zeitschrift“  abgedruckt werden.

Friedrich-Gerhard Hohmann / Klemens Honselmann
Dokumente zur Gründung des Vereins (1974/75)

Plan der Gesellschaft für Geschichte und Altertumskunde Westfalens, von Paul Wigand und August von Haxthausen

Der im Juni 1820 im Druck veröffentlichte „Plan der Gesellschaft für Geschichte und Altertumskunde Westfalens“ hatte die Aufgabe, Mitglieder für eine zu gründende historische Gesellschaft in Westfalen zu werben. Ein Gründungsgremium war schon 1819 zusammengetreten und hatte die in der Unterschrift genannten Herren mit der Ausarbeitung des Planes beauftragt Wenn die Herren, die sich zusammengefunden hatten, ihren Zusammenschluß bereits als Gesellschaft bezeichnen und in gleicher Weise der Staatskanzler Fürst Hardenberg 1821 in einem Brief an P. Wigand den von diesem „gestifteten Verein für westphälische Geschichte“ erwähnt (vgl. Teil III des Beitrags von J. Brüning in WZ 124/125), so ist doch eine feste Organisation erst mit der Gründung des „Vereins für Geschichte und Altertumskunde Westfalens“ am 19. Juli 1824 entstanden. Der Plan, als achtseitige Broschüre in Quartformat verbreitet, ist heute als Dokument der einstigen Bestrebungen wertvoll und wird darum hier wieder abgedruckt, wobei die Schreibweise z. T. normalisiert ist.

Vgl. auch Harald Sailer, Die Anfänger der Kunstpflege in Westfalen (Westfalen, Sonderheft 6, 1937) S. 27ff.

Kl. Honselmann

Längst anerkannt war der Mangel an gründlichen deutschen Geschichtswerken, an umfassenden, genauen Vorarbeiten, an vollständiger Erforschung, Sammlung und Prüfung der Quellen, und an derjenigen Kenntnis der vaterländischen Geschichte, die allein gründliches, unbefangenes Quellen-Studium gewährt. Lebhafter wurde das Bedürfnis gefühlt, als Neigung und Beruf Einzelne zu einem frischen und lebendigen Studium führte, und bei der erwachten Liebe zum Vaterlande, bei der wiedergefühlten und errungenen Würde desselben eine schöne Wechselwirkung eintrat, die erfreuliche Hoffnungen erregte. In dieser Idee, und mit der Überzeugung, daß unsere Zeit, die manchen Irtum besiegt, und manche innere und äußere Fessel gesprengt sah, am meisten geeignet und verpflichtet sey, sorgsam und mit Ernst der Geschichte des Vaterlandes Mühe und Fleiß zu widmen, vor allen Dingen aber verborgene Quellen aufzusuchen, gefährdete zu retten, und die von unverständiger Kritik vernachlässigten wieder zu Ehren zu bringen, vereinten sich vor Jahresfrist mehrere Freunde in Westphalen, und entwarfen einen Plan, wonach sie eine diese Provinz umfassende Gesellschaft gründen, und nach Entdeckung aller etwa noch verborgenen oder unbeachteten Geschichts-Quellen gemeinsam forschen wollten, nicht, um ihre historische Arbeit geographisch abzuschließen, sondern nur, als Teil, ein zu hoffendes Ganze mutig zu beginnen. Denn wie das Herzblut nach allen Adern dringt, und das Leben, das es zeugt und nährt, weit wirkend seine Strahlen wirft, wie vielmehr das Leben eines großen Volkes, das in seinem Innern eng verwandt, und gleichmäßig pulsierend, seine Wirkungen auch nach außen in allen Richtungen aussendet.

Die Ausführung des Planes blieb ausgesetzt, weil von jener, zu Frankfurt nun constiuirten, Gesellschaft für Deutschlands ältere Geschichtskunde verlautete, deren ehrenwerte Stifter in Betracht der Unvollkommenheit und Kostbarkeit der bisherigen Sammlungen der Quellenschriftsteller deutscher Geschichte und der Schwierigkeit, sie vollständig zu erhalten, Zwei und Absicht hatten, eine neue Sammlung zu veranstalten, um dem historischen Forscher die Quellenschriftsteller des Mittelalters in möglicher Echtheit und Eigenthümlichkeit zugänglich, und jede andere Ausgabe der aufzunehmenden Schriften, oder jede Vergleichung zur Sicherung des Textes ihm entbehrlich zu machen. Wenn wir nun auch bei dem Zustandekommen jenes Vereins, der seine Tätigkeit mit segenreichem Erfolg begonnen hat, und obgleich einige von uns zum Beitritt ehrenvoll eingeladen sind und alle daran den freudigsten Anteil nehmen, dennoch gegenwärtig die Vollziehung unseres früher gehegten Vorsatzes auszusprechen wagen, so tun wir es, wie billig, in gleicher Gesinnung, in gleichem Streben und also, daß wir uns als Glieder an das durch jenes Institut beabsichtigte und mehr und mehr mit Hoffnungen begabte Ganze anschließen.

Indem uns nun dies als zweckmäßig und förderlich erscheint, fühlen wir uns verpflichtet, unsere Ansicht öffentlich zu rechtfertigen, wie es zugleich unser Wunsch und größter Lohn ist, die Genehmigung und Beistimmung jenes Frankfurter Vereins zu erwerben.

Wenn es nämlich Ziel jener hochachtbaren Stifter war, dem künftigen Geschichtschreiber der deutschen Geschichte es möglich zu machen, aus dem ganzen historischen Vorrat der Geschichtschreiber des Mittelalters ein treues, entsprechendes Bild jener Zeit zu entwerfen, gründliche Kenntnis der vaterländischen Vorzeit, ihrer Bildung und Verfassung vorzubereiten, und das Ideal einer eigentlichen deutschen Geschichte, die der Kenner noch entbehrt, dadurch erreichbar zu machen, so fühlte man natürlich, wie umfassende Werke, die dazu gehören, nicht Sache des Einzelnen seien, sondern daß vereintes Wirken Aller, die Sinn, Ehrfurcht und Beruf in sich fühlen, notwendig sey. Dies zu erreichen, ist viel geschehen. Aber wie eben bei einem solchen Unternehmen weder die Zahl der Schriftsteller konnte bestimmt, noch überhaupt demselben eine feste Grenze im Voraus angewiesen werden, so fühlt man beim Fortgang mehr und mehr, wie zu einer gründlichen Wissenschaft von allem dem, was jedes einzelne Land für den gemeinsamen Zwei besitzt, von dem Vielen, was verborgen, verschleudert, in unrechten Händen, dem Verderben ausgesetzt ist, ein vielfaches Erforschen und Bemühen gehört. Es dünkt uns aber, daß dies am zweckmäßigsten erreicht wird, wenn sich Special-Gesellschaften für einzelne Provinzen bilden, die sich wieder, für ehemals geographisch abgeschlossene Bezirke, gliedern mögen. Alsdann kann nicht nur viel Verborgenes leichter aufgesucht, und ein mehrseitigeres Interesse für die Sache angeregt werden, sondern die Hauptgesellschaft, die ihre Glieder in den Special-Gesellschaften hat, kann das Ganze leichter übersehen, mit größerem Nachdruck wirken, und statt der Bemühungen einzelner die Resultate vieler zusammenfassen. Dabei wird der Bearbeitung und der Ergründung der Special-Geschichte einzelner Lande und Städte ein regsames Feld eröffnet, und auf sie muß doch die allgemeine gebauet werden; aus ihr lernen wir erst recht die Verfassung und Verwaltung, die Verhältnisse und Entwickelung der Gemeinden und Stände, Gesetze und Rechtsgewohnheiten, den ganzen innern Haushalt der Geschichte, Sitten, Gesinnung und Lebensweise des Volkes, und somit die wahren Fundamente der Geschichte kennen, die bisher oft von denen, die nur nach dem Qeffentlichen und Großen, nach dem Schillernden und Prunkenden haschten, lustig auf ungewissen Boden erbaut wurde.

Wenn darum das begonnene Unternehmen als ein nationales zu betrachten ist, und mehr und mehr in diesem Sinne voll Dank von Allen, die ihr Vaterland lieben, betrachtet wird, so kann es nicht fehlen, daß der Beifall, den auch die hohen Regierungen demselben geschenkt haben, sich in die lebhafteste Teilnahme und Unterstützung verwandeln wird. Es möchte daher der Zeitpunkt der Gegenwart und das Glück des Unternehmens bei dem wiedererwachten Sinn für die alten Quellen vaterländischer Geschichte es erheischen, für das Ziel einer einst möglich werdenden deutschen Geschichte das Augenmerk auf den ganzen Bedarf zu richten, der erforderlich wird, wenn dieselbe der Bildung, den Anregungen und Fortschritten der Zeit entsprechen soll. Jeder Nachlaß der alten Zeiten ist wichtig, selbst der Mund des Volkes trägt noch manches schüchtern, was vielleicht bald verhallt, und manches Denkmal der Vorzeit steht am Rande des Abgrundes. – Am wichtigsten für die innere Geschichte der Nation, ihre Verfassung, Recht, Cultur sind Urkunden. Sie führen uns unmittelbar in die Geschichte, und machen uns zu Zeugen der Begebenheiten; aus ihnen spricht nicht die Individualität des oft übel unterrichteten Schriftstellers, sondern sie drücken die Verhältnisse und Zustände treu und leidenschaftlos aus dergestalt, daß sie oft Schlüsse auf den ganzen Zusammenhang der Begebenheiten, und auf die Verkettung der Ereignisse erlauben. Um ein Beispiel anzuführen, erwähnen wir das Westphälische Fehmgericht, von dem selbst Schriftsteller des Mittelalters nur sagenhafte Erzählungen und leidenschaftliche Urteile geben, dessen ganze Verfassung und denkwürdiger, historischer Zusammenhang sich aber aus den Urkunden klar bis in die ersten Keime entwickeln läßt. Wenn wir nun dem innern Werte der Urkunden ihren äußern für Sprache, Schrift, Kunst beigesellen, so fühlen wir es nur um so schmerzlicher, wie wenig für sie geschehen ist, wie wenig sie mit gründlicher Kritik zu Rate gezogen, wie mangelhaft selbst bessere Sammlungen sind, und wie zahlos die Menge noch unbekannter und dem Verderben ausgesetzter Urkunden sein mag.

Unübersehbar ist das Feld für den künftigen deutschen Geschichtschreiber, und ebenso das der nothwendigen Vorarbeiten. Wenn daher jener würdige Verein, und sein hochverehrter Gründer, mit wohlerwogener Absicht und gedrungen durch Hindernisse, die jedem beginnenden Unternehmen entgegen treten, sich ein vorläufiges Ziel zu setzen beschlossen, so ist doch zu hoffen, daß das erfreuliche Gedeihen desselben und das erworbene Anerkenntnis auch zu weiteren Unternehmungen führen wird. Da nun aber in den Anstalten und Bemühungen, die erforderlich waren, natürlich schon das Feld eröffnet ist, nach allen Denkmälern der Geschichte zu forschen, so wird es nicht mißbilligt werden, wenn wir unsern und vieler Wunsch hier ausgesprochen haben, und indem wir durch unsere Verbindung freudig und tätig uns zu wohlgemeinter Beihülfe erbieten, zugleich planmäßig unsere Bemühungen auf alle übrige Denkmäler der Geschichte mitrichten.

Wir werden daher, die äußere und innere Geschichte des Staats und der Nation gleichmäßig im Auge haltend, unsere Nachforschungen:

I. Hauptsächlich auf die schriftlichen Denkmäler richten, und vor allen Dingen jede Spur der Quellenschriftsteller des Mittelalters zu entdecken uns bemühen, einzelne wichtige Resultate dem Verein zu Frankfurt mitteilen, und zugleich dahin trachten, alle Landes- und Orts-Chroniken vollständig in dem uns geographisch abgesteckten Bezirke zu sammeln, um sie als ein zusammenhängendes Ganze gleichfalls jenem größeren Unternehmen anzuschließen. Zu dem Ende werden wir alle öffentliche und Privat-Bibliotheken, in sofern es möglich, untersuchen, alle Archive genau prüfen, hauptsächlich bedeutender Familien, aufgehobener Klöster und noch bestehender Stiftungen, der Rathäuser in Städten, alter Amthauser, wie auch Privat-Sammlungen, da in den letzten Zeiten so vieles verschleudert, und in Privat-Besitz, wo es notwendig immer gefährdet erscheint, versetzt worden ist. Es gilt somit Aufsuchung aller ungedruckten Quellen überhaupt, und Berichtigung derer, die bereits zum Druck gelangt sind, durch vergleichende Revision.

II. Dabei sind historische Untersuchungen einzelner Gegenstände erwünscht, Monographien als Vorarbeiten größerer Geschichts-Bücher, z. B. über die Entstehung einzelner Städte und ihre Verfassung, Rechtsinstitute und Gesetze, Ursprung und Schicksale einzelner Familien, auch Biographien einzelner Gelehrten und Künstler des Mittelalters. Die Geographie und Topographie der Vorzeit ist nicht minder ein reichhaltiger Stoff zur Forschung, wozu unzählige Urkunden. unserer Provinz noch geprüft und verglichen werden müssen. – Jeden, der nicht selbst Zeit und Gelegenheit hat, die ihm nahe liegenden Quellen zu bearbeiten und kritisch zu prüfen, verpflichten wir freundlich, uns von dem Gefundenen in Kenntnis zu setzen, und namentlich eine Beschreibung desselben mit seinen Bemerkungen und vollständigen Verzeichnissen vorhandener Urkunden und Handschriften mitzuteilen, oder uns den Zugang zu dem, was er besitzt, zu gestatten.

III. Gleiche Sorgfalt widmen wir allen Denkmälern der Vorzeit, um die Überbleibsel alter Kunst und Tradition zu erforschen und zu erhalten: Burgen, Gebäude, Bildwerke und Gemälde, Inschriften, Münzen und Siegel sind der Aufmerksamkeit wert. Altertümer aller Art werden wir sammeln, besonderes Nachforschen auch widmen und richten auf das Leben und die Weise des Volkes, seinen Haushalt und seine bürgerliche Einrichtung, seine Wirtschaft, Bauart, und Gerät für Acker, Haus und Handwerk, die oft noch jetzt Spuren deutscher Art und Abkunft tragen, aber auch, im Ganzen betrachtet, größere Resultate für die Grenzlinie alter Stämme, für ihren geschichtlichen Standpunkt, so wie für die innere Entwicklung des Volkes, und das hohe After derselben geben, wenn Gegenwart und Vergangenheit im Geist eines Möser von kritischer Forschung durchdrungen werden und sich wechselseitig erklären.

IV. Hauptsächlich zu berücksichtigen ist, so wie Kunst, Lebensart und Sitte, auch die Volkspoesie, die als Gemeingut das ganze Leben des Mittelalters durchdringt. Innig verwandt mit der Geschichte deutscher Vorzeit bildet sie den Grund und Anfang ihres wahrhaften Verstehens. Verschlungen in das Leben, die Denkweise und Sitte des Volkes, hat sie tiefe Wurzeln geschlagen, und der Forscher wird noch große Reichtümer entdecken, wie die Beispiele eifriger Sammler bereits bewiesen haben. – Wie es aber hoch an der Zeit ist, diese Ueberreste altdeutscher Kunst, Poesie und Sitte, die sich aus so vielen stürmischen Zeiten noch bis zum Leben der Gegenwart gerettet, überall zu sammeln und zu erhalten, so gehört es auch mit zu unserm Plane, ihnen Aufmerksamkeit und Liebe zu schenken. Sie knüpfen sich teils unmittelbar an die Geschichte, und verbinden mit reicher Phantasie die innere Notwendigkeit der historischen Wahrheit, wie im Märchen, der Romanze, der Sage; teils bilden sie Bestandteil der Geschichte, in ihr gezeugt und gewachsen, und als Zierde sie durchschlingend, wie im Lied, im Reim, in der Erzählung, oder in Spielen, Festen, mit Tanz und Sangweisen und Denksprüchen, wo sie den sinnigen, frischen Lebensmut der Vorzeit aussprechen. Teils knüpfen sie sich spielend aber doch bedeutungsvoll, mehr in der Form als im Wesen, an Geschichtliches und haben es sinnreich ausgeschmückt und erhalten, wie namentlich in allerlei Sitten und Gewohnheiten, bei Handlungen des Lebens, bei gerichtlichem Verfahren und Rechtsgewohnheiten.

So wie auch hier handschriftliche Ueberbleibsel aller Art in Archiven und Bibliotheken wohl zu prüfen und auszuforschen sind, so müssen doch diese Denkmäler der Vorzeit hauptsächlich aus dem Munde des Volkes gesammelt, und rein aufgefaßt werden. Jede Sage, jedes Lied, Fabel, Reim, an irgend eine Begebenheit geknüpft> Volksfeste und Gebräuche, Sprüchwörter und Redensarten, sind bedeutend und wichtig, besonders haben Rechtsgewohnheiten und Verfahren des Gerichts, das immer öffentlich und volksmäßig war, sich meist in poetischer Form erhalten, und Westphalen ist hier am reichsten, weil alte Verfassung und ehrwürdige Gewohnheit sich da am längsten unangetastet erhalten haben.

V. Erwähnen müssen wir insbesondere noch die Spracbe, dieses stolze, vaterländische Erbteil, mit seiner innern reichen Fülle und unerschöpflichen Tiefsinnigkeit allem Regel-Zwang moderner Sprachkünstler spottend. Auch sie ist ein Fundament der Geschichte und Bestandteil derselben, aufgewachsen mit ihr, verschlungen in das Leben und die Sitte des Volkes, und aufgeblüht und fortgebildet mit ihm, und so auch zu allen Zeiten wieder mit ihm gesunken und verwildert. Um ihren Reichtum kennen zu lernen und unsern gelehrten Philologen die unentbehrlichen Vorarbeiten zu liefern, ist es notwendig, daß alle Provinzial-Dialekte gründlich erforscht und aufgezeichnet werden, denn wiewohl Vieles geschehen, so bleibt doch dem Forscher noch Großes zu thun übrig. Jede Gegend hat ihr Eigentümliches, und die Sammlung von Idiotiken muß sich an die übrigen Forschungen reihen. Zu sammeln sind aber alle ungewöhnlichen Wörter und Namen, auffallende Redensarten und Wendungen, Gleichnisse und Zusammensetzungen, Sprüchwörter und sonderbare Benennungen, dann auch ungewöhnliche Formen und Biegungen der Haupt- und Beiwörter, so wie alles Eigentümliche der Sprachgewohnheit, was den vermeinten Regeln unzeitiger Grammatik widerspricht.

In dieser Idee, wie sie Männer von Kenntnis, Gefühl und Geschmack schon früher ausgesprochen und gebilligt, sind wir zu sammeln und zu wirken gewillt, und treues Bestreben, mit vereintem Willen für die gute Sache, wird auch schwache Kräfte mit günstigem Erfolge segnen. Wir wünschen daher eine recht allgemeine Teilnahme und Beihülfe, wo Alles wetteifern möge, sein Samenkörnlein zu spenden, damit die Fülle der aufgehenden Saat bald als ein Ganzes zur allgemeinen Freude gedeihe. Alle aber, denen das Vaterland, sowie des heimischen Bodens und der Altvordern Geschichte lieb und wert ist, laden wir hierdurch ausdrücklich zum Beitritt ein.

Zum einstweiligen Verbindungs-MitteI, und zur gegenseitigen Mitteilung und Niederlegung dessen, was Sammlerfleiß und Forschungsgeist zu Tage fördert, bestimmen wir eine schon früher projectierte periodische Schrift, die sich in ihren Bestrebungen nunmehr an das gleichmäßige Institut der Hauptanstalt schließen, und in ihren speciellen Zwecken derselben unterordnen wird. Sie soll in zwanglosen Heften unter dem Titel erscheinen:

Archiv für Geschichte und Altertümer Westphalens,

und wir wünschen auch für sie lebhafte Teilnahme und recht viele fleißige Mitarbeiter zu finden.

Alle Schreiben, welche Teilnahme an dem Verein, Beiträge zu dem Archiv, Entdeckungen und Bemerkungen, Rat, Vorschläge und Unterstützung des Unternehmens bezwecken, bitten wir an die Unterzeichneten, welche die Leitung übernommen haben, zu senden, und die Briefe, nach der näheren Lage des Wohnorts, an den Buchhändler Wesener zu Paderborn, als Verleger der Zeitschrift, oder an die innerhalb Westfalens zunächst gelegene Buchhandlung zu dirigiren, welche sie weiter befördern werden.

Höxter, geschrieben im Jenner 1820.
Im Namen und Auftrag der Gesellschaft

P. Wigand, Redacteur
Aug. von Haxthausen, Secretär der Gesellschaft.

Nachschrift

Vorstehender Plan hat von mehreren Seiten bereits Genehmigung und Beifall gefunden; namentlich hat die Königlich Preußische Regierung zu Minden denselben beifällig aufgenommen, und mit der erfreulichsten Bereitwil1igkeit~uns alle Archive ihres Verwaltungs-Bezirks zu unserem Gebrauche geöffnet, wofür die Gesellschaft sich diesem hochgeehrtesten Landes-Collegium mit lebhaftem Danke verpflichtet fühlt.

Zugleich ist derselbe der Central-Direction der Gesellschaft für Deutschlands ältere Geschichtskunde in Frankfurt vorgelegt worden, und ein Schreiben des Secretärs jenes Vereins, des Großherzoglich-Badenschen Herrn Legations-Rats Büchler, versichert uns des vollkommenen Beifalls des Stifters und Präsidenten, Freyherrn von Stein, und sämtlicher Mitglieder der Central-Direction, sowie der ausdrücklichen Genehmigung einer für Westphalen eigens anzulegenden, den Gesamtzwecken der Hauptgesellschaft sich anschließenden Zeitschrift und eines damit zu begründenden Filial-Vereins für hiesige Special- und Local-Geschichte. – Wir hoffen somit noch fester auf die Förderung und den glücklichen Fortgang unseres Unternehmens, und wünschen, daß die ihm geschenkte Anerkennung und Teilnahme allen unseren Freunden zur lebhaftesten Aufmunterung dienen möge.

Höxter,im Junius 1820.

Akten der Regierung zu Minden zur Gründung des Vereins für Geschichte und Altertumskunde Westfalens (1823–1827)

Im Staatsarchiv Detmold befindet sich in den Akten der Polizeiabteilung der Regierung Minden ein Faszikel „1824 Acta wegen gestifteten Vereins von Freunden der vaterländischen Geschichte etc“ (Regierung Minden 1 P Nr.366 a). Er enthält Meyers „Grundzüge zu einer jährlichen Versammlung von Freunden der vaterländischen Geschichte“ vom 26. September 1823, die bisher nicht bekannt waren, sowie den Briefwechsel Meyers mit dem Regierungsrat Koppe und der Regierung anläßlich der Genehmigung und Gründung sowie der Bestätigung der Statuten des Vereins und einen Briefwechsel Wigands mit der Regierung, der Einblick in die Anfänge des „Archivs“ gewährt.
Die Schreiben werden hier in der chronologischen Reihenfolge, in Rechtschreibung und Zeichensetzung modernisiert, abgedruckt.

F. G. Hohmann

Grundzüge zu einer jährlichen Versammlung von Freunden der vaterländischen Geschichte.

1. Der Zweck dieser Versammlung ist gegenseitige Mitteilung von Nachrichten, welche auf vaterländische Geschichte Bezug haben, insbesondere:

a. nähere Angabe aller Denkmale der Vorzeit und möglichste Sorge für ihre Erhaltung und Aufbewahrung;

b. Herbeischaffung zerstreuter Urkunden, Copialbücher, Repertorien pp. und angelegentliche Sorge, daß dieselben wieder zu den Sammlungen kommen, wohin sie gehören.
2. Angenehm wird sein, wenn jedes Mitglied eine Abhandlung über einen selbst gewählten historischen Gegenstand in der Versammlung verliest, oder wenigstens ihn mitteilt.

3. Diese Abhandlungen können demnächst nach genauer Beratung u. allenfallsiger Abänderung gedruckt, deshalb dem H. Landgerichtsassessor Wigand für sein Archiv zugestellt werden.

4. Jedes Mitglied, welches nähere Nachrichten über einen historischen Gegenstand wünscht, teilt diesen Antrag schriftlich der Versammlung mit; kann der Gegenstand nicht gleich völlig abgemacht werden, so wird er demjenigen Mitglied zur weiteren Erörterung zugestellt, der [!] hierüber bestimmte Nachrichten anzugeben vermag.

5. Da gemäß dem gewöhnlichen Anfange der Urkunden die Rede verhallt und vergessen wird, so wird in der Versammlung ein Protokoll geführt, worin

a. der seit der letzten Versammlung geführte Briefwechsel,

b. die während der Versammlung übergebenen Eingaben u. stattgehabten Verlesungen u. Beschlüsse des Vereins bemerkt werden.

6. Die jährliche Versammlung ist zu Paderborn, als dem Orte, wohin das Provinzialarchiv bestimmt ist, u. wo sich durch den bekannten Eifer unsers H. Oberpräsidenten die zerstreuten Archivstücke stets mehr wieder einfinden und concentrieren. Der Ort der Sitzung ist auf dem, den mehrsten nachbenannten Mitgliedern bereits bekannten, Gartenhause des Unterzeichneten. Die Zeit derselben: an einem noch näher zu bestimmenden Tage in der zweiten Hälfte des Monats Mai oder anfangs Juni nächstens Jahres 1824 zum ersten Male morgens 10 Uhr und nachmittags 4 Uhr. Der Abend wird mit einem gemeinschaftlichen Mahle in einem Gasthause beschlossen.

7. Ein Sekretär oder Deputierter der Gesellschaft, welcher das Protokoll übernimmt, u. allenfalls ein Aktuar, der dasselbe schreibt, wird gewählt.

8. Konstituierende Mitglieder des Vereins:

Herr Generalvikar Dammers
Kriminal-Direktor Gehrken
Professor Bessen
Domänenrat Mantell Canonicus Meyer
Fr(eiherr) v. Brenken zu Erdbeerenburg (Erpernburg)
Fr(eiherr) v. Schorlemer zu Herringhausen
Landgerichtsassessor Wigand zu Höxter
Amtmann Jaenke zu Corvey
Geh. Rat und Hofgerichtspräsident von Spilker zu Arolsen
D. Sommer zu Kirchundem
Joh. Sub. Seibertz zu Rüthen
9. Jedes dieser genannten Mitglieder des Vereins kann noch einige Mitglieder in Vorschlag bringen. Diese müssen jedoch vor der Versammlung der übrigen Mitglieder bekannt und angenehm sein.

10. Bis zur Versammlung, worin einige Mit[de]putierte des Vereins gewählt werden, übernehmen der Herr Kriminaldirektor Gehrken und der Unterschriebene Briefwechsel und die vorläufigen Geschäfte.

11. Für die erste Zusammenkunft übernimmt der Unterschriebene eine geschichtliche Abhandlung über das Haus Büren u. ältere Nachrichten über den Desenberg, der Herr Kriminaldirektor Gehrken eine historische Abhandlung über das Marschallamt in Westfalen.

12. Wenn vorstehende Grundzüge von den genannten Mitgliedern genehmigt, und durch sie der Verein konstituiert ist, soll der den mehrsten vorgenannten Mitgliedern persönlich bekannte Herr Oberpräsident hiervon in Kenntnis gesetzt u. um weitere Beförderung der Zwecke des Vereins gebeten werden.

13. Jedem der vorgenannten Mitglieder bleibt überlassen, an diesem Plane des Vereins zu ändern oder beizufügen.

Paderborn, den 26. September 1823

gez. 1. Meyer, Canonicus

Regierungsrat Koppe an Regierung Minden, Minden, 1. Juli 1824 (Or.)

Im Auftrage des Domkapitulars Ign. Meyer zu Paderborn habe ich es übernommen, einer Königl. Hochlöbl. Regierung den Plan des von ihm gestifteten Vereins von Freunden der Vaterländischen Geschichte, welche am 19. c[urrentis] seine erste Versammlung halten wird, in der abschriftlichen Anlage zu submittieren, und Hochdero Protektion für ein Institut zu erbitten, welches durch günstige Lokalverhältnisse und ausgezeichnete Persönlichkeit einiger Mitglieder zur Hoffnung wesentlicher Förderung der ihm vorgesteckten wissenschaftlichen Zwecke berechtigt. Ich beehre mich die Bemerkung hinzuzufügen, daß der Herr Oberpräsident von Vincke der Gesellschaft die Ehre erzeigt hat zu erlauben, daß sein Name unter ihren Mitgliedern verzeichnet werde; ich zeige zugleich gehorsamst an, daß mir von der Gesellschaft die freilich für meine Person sehr unverdiente Ehre widerfahren ist, zum Beitritt von ihr eingeladen zu werden, und daß ich diese Einladung besonders in der Voraussetzung angenommen habe, eine Königl. Hochlöbl. Regierung werde es angemessen finden, wenn Ihr Referent in Archivsachen in näherer Verbindung mit einem Institute stehe, dessen Zwecke durch einen gesetzlich unter gewissen Bedingungen nicht nur verstatteten, sondern auch empfohlenen Gebrauch der Archive wesentlich bedingt sind.

An eine Königl. Hochlöbl. Regierung
hier

Koppe
K. Pr. Reg. Rat

Randverfügung:
Dem p. Meyer ist die Billigung des von ihm gestifteten Vereins zu erkennen zu geben.

M., 8.7.24

v. d. H. [von der Horst, Regierungspräsident]

Regierung Minden an Meyer, Minden, 8. Juli 1824 (Konzept)

Der Regierungsrat Koppe hat uns in Ihrem Auftrage den Plan des von Ihnen gestifteten Vereins von Freunden der Vaterländischen Geschichte vorgelegt, welcher am 19. c. seine erste Versammlung halten wird. Wir geben Ihnen hierdurch mit Vergnügen unsere Zufriedenheit über die Errichtung eines Instituts zu erkennen, welches durch günstige Lokalverhältnisse und ausgezeichnete Persönlichkeit einiger Mitglieder zur Hoffnung wesentlicher Förderung der ihm vorgesteckten wissenschaftlichen Zwecke berechtigt.

Meyer an Regierung Minden, Paderborn, 5.9.1824 (Or.)

Eine Hochlöbliche Königliche Regierung hat durch ein verehrtes Reskript vom 8. Juli d. j. (N 7134 B) den Verein für vaterländische Geschichte zu genehmigen die Gewogenheit gehabt. Dieses Reskript habe ich bei der am 19. Juli stattgehabten ersten Versammlung des Vereins zum Vortrag gebracht und dann von demselben den Auftrag erhalten, der Hochlöblichen Königlichen Regierung für diese Anerkennung und Teilnahme schuldigst zu danken und über die Verhandlungen dieser Versammlung Bericht zu erstatten. Indem ich daher namens des Vereins den gedruckten Protokollauszug in den bei-kommenden 2 Anlagen einzusenden mich beehre, erlaube ich mir zugleich für den Verein auch ferner die Gunst der Hochlöblichen Königlichen Regierung zu erbitten.

Paderborn, dem 5. September 1824

I. Meyer, Domkapitular

Wigand an Regierung Minden, Höxter, 29.12.1824 (Or.)

Eine Königliche Hochlöbliche Regierung hat dem zu Paderborn gestifteten Verein für Geschichte und Altertumskunde Westfalens Ihren Beifall und Ihre Genehmigung hochgeneigt angedeihen lassen. Die Zwecke desselben zu fördern, ist eine periodische Schrift sehr geeignet, und ich habe die Redaktion derselben im Auftrage der Gesellschaft übernommen, in der Überzeugung, daß bei der festversprochenen Hilfeleistung vieler angesehener Geschichtsforscher mich dieses Geschäft an meinen Amtsobliegenheiten nirgend hindern wird. Unternehmungen dieser Art sind aber so schwierig, daß kein Verleger die Auslagen wagen wollte, ehe sich die Gunst des Publikums entscheiden würde. Da diese nur durch das Werk selbst erlangt werden kann, so habe ich die Druckkosten des ersten Heftes selbst auszulegen übernommen. Indem ich es nun für Schuldigkeit erachte, von diesem gemeinnützigen Unternehmen Hochlöblicher Regierung Anzeige zu machen, schmeichle ich mir in der Hoffnung, daß Hochdieselbe solches als zweckmäßig billigen, Ihren Schutz demselben nicht versagen und künftig, wenn es sich dessen in der Ausführung würdig bezeigt, auch eine fördernde Empfehlung ihm wird hochgeneigt angedeihen lassen. Ich werde daher, sobald das Probeheft gedruit ist, mir die Freiheit nehmen, solches dem Hochverehrten Kollegium gehorsamst zu überreichen.

Der ich in schuldigem Respekt verharre

Höxter, d. 29. Dezember 1824

Hochlöblicher Regierung
gehorsamster
P. Wigand

Regierung Minden an Wigand, Minden, 23.2.1825 (Konzept.)

Wir haben aus Ihrem Schreiben vom 29t0n Dezember pr[aeteriti] gern ersehen, daß Sie die Redaktion der von dem Verein für Geschichte und Altertumskunde Westfalens herauszugebenden periodischen Schrift übernommen haben, und wird es uns angenehm sein, zu seiner Zeit das erste Probeheft dieser Zeitschrift, und damit, wie wir nicht bezweifeln, einen Beweis der Zweckmäßigkeit des Unternehmens zugefertigt zu erhalten.

Meyer an Koppe, Paderborn, 23. April 1827 (Or.)

Euer Hochwohlgeboren beehre ich mich, beikommende 3 Exemplare der Statuten unsers Geschichtsvereins, nachdem derselbe nunmehr von Seiner Königlichen Majestät bestätigt, und vom Oberpräsidio mir die Erlaubnis zu deren Verteilung zugekommen ist, mit der gehorsamsten Bitte einzusenden, die [!] Hochlöbliche Königliche Regierung unter gefälliger Mitteilung der Statuten davon Kenntnis geben zu wollen.

Da Euer Hochwohlgeboren dem Verein auf dessen Wunsch gleich anfangs schriftlich beigetreten sind, den Versammlungen aber wegen Entfernung nicht beiwohnen können, so hat der Verein sich erlaubt, Euer Hochwohlgeboren zu seinen auswärtigen Ehrenmitgliedern zählen zu dürfen.

Nach der Bestimmung des Curatorii sollen die Statuten von den beiden Direktoren unterschrieben werden; da dieses aber wegen der angetretenen Reisen des Konsistorialrats Kohlrausch noch wohl einige Zeit dauern möchte, so sind die beikommenden Exemplare einstweilen noch ohne Unterschrift.
Ein Heft Urkundenauszüge werde ich noch in diesem Monate einsenden und dann alles schneller liefern. 3malige Veränderungen des Archivlokals, sonstige mancherlei Unterbrechungen und Hindernisse, Urkundenabschriften, besonders des alten Herforder Schöffenbuches, welches mir vom hiesigen Oberlandesgerichte in einer Herforder Prozeß-Sache zur Übersetzung einiger Stellen mitgeteilt war und wovon jetzt ein Abdruck im 5. Hefte des Wigandschen Archivs vorkommen wird, haben mir viele Zeit weggenommen, welche ich durch künftige schnellere Lieferung wieder aufholen zu können hoffe.

Mit bekannter Verehrung

Euer Hochwohlgeboren gehorsamste

I. Meyer, Domkapitular

Paderborn, d. 23. April 1827

Regierung Minden an Meyer, Minden, 11. Mai 1827 (Konzept.)

Der Regierungsrat Koppe hat in Ew. Auftrage uns eines von den mittelst Schreiben vom 23. pr. ihm mitgeteilten Exemplaren der nunmehr von des Königs Majestät allergnädigst bestätigten Statuten des Vereins für die Geschichte und Altertumskunde Westfalens vorgelegt, und sagen wir Ew. p. für diese Mitteilung hiermit unsern ergebensten Dank.

(Aus: Westfälische Zeitschrift 124/125, 1974/1975, S. 29-41)

Honselmann / Hartlieb v. Wallthor
Einhundertfünfzig Jahre Verein für Geschichte und Altertumskunde Westfalens (1974/75)

Nach langjährigen Bemühungen, von denen der Plan der Gesellschaft für Geschichte und Altertumskunde Westfalens, den Paul Wigand und August von Haxthausen im Juni 1820 veröffentlichten, das älteste gedruckte Zeugnis ist [FN1], wurde die Gründung eines Vereins in einer Zusammenkunft, zu der Domkapitular Ignaz Liborius Meyer in Paderborn historisch interessierte Persönlichkeiten aus Westfalen eingeladen hatte, am 19. Juli 1824 beschlossen. Aus der Stadt Paderborn hatten sich sechs Herren eingefunden, sieben weitere kamen aus den adeligen Häusern Erpernburg bei Brenken und Heringhausen bei Lippstadt, aus Büren, Höxter und Kirchhundem, dazu noch 2 Herren aus Arolsen. Ihren Beitritt zu einem zu gründenden Verein hatten einige Herren zugesagt, die der Versammlung nicht beiwohnen konnten, Oberpräsident Freiherr Ludwig von Vincke in Münster sowie vier Herren in Corvey, Minden, Stadtberge (Marsberg) und Rüthen. Domkapitular Meyer eröffnete die Sitzung und erklärte, es habe »sowohl das hohe Oberpräsidium der Provinz diesen für nützliche Zwecke bestimmten Verein beifällig genehmigt, als auch die Königliche Regierung zu Minden durch ein anher erlassenes Rescript diese Versammlung zur Förderung geschichtlicher Studien approbiert und sich anerkennend darüber geäußert« [FN2]. Daraufhin »hat die Versammlung sich zu einem dauernden Geschichtsverein constituiert und ihre Sitzung eröffnet« [FN3].

Der Hinweis auf die Zustimmung des Oberpräsidiums in Münster und der Regierung in Minden dürfte andeuten, warum seit dem Aufruf von 1820 vier Jahre vergehen mußten, bevor der westfälische Geschichtsverein gegründet werden konnte. Das allgemeine Landrecht für die preußischen Staaten sah zwar Gesellschaften als erlaubt an, »deren Zweck mit dem gemeinen Wohl bestehen kann«. Für solche Vereine, »die sich zu einem fortdauernden gemeinnützigen Zwecke verbunden haben«, war aber eine Genehmigung des Staates notwendig, der auch die Satzungen zu billigen hatte. Vor 1848 war die Erteilung von Korporationsrechten eine Sache der Gesetzgebung. Damit lag die Bestätigung des Vereins beim König selbst [FN4].

Die Sitzung in Paderborn hat also erst stattgefunden, als man durch die Behörden die Möglichkeit der Bestätigung erkundet hatte. Ein vorläufiger Zusammenschluß war aber notwendig, um Statuten festzulegen. Diese sind damals in der von Domkapitular Meyer vorgeschlagenen Form angenommen worden [FN5]. Als sich dann am 21. September 1825 der Schwester-Verein in Münster bildete, der mit dem Paderborner Verein in der Person des Oberpräsidenten von Vincke ein gemeinsames Curatorium haben sollte, wurden weitere Modifikationen für die Statuten vorgeschlagen. Der nun in Münster, wohl unter Mitwirkung des Oberpräsidenten, erarbeitete zweite vorläufige Entwurf [FN6] wurde mit der Bitte um Bestätigung des Vereins vom Curator an den Staatsminister Freiherrn von Altenstein weitergereicht, der am 16. Dezember 1826 seinen Bericht darüber dem König einreichte. Am 7. Januar 1827 erteilte der König dem Verein für Geschichte und Altertumskunde Westfalens und den Statuten des Vereins seine Bestätigung [FN7]. Damit hat der Verein knapp zweieinhalb Jahre nach seiner vorläufigen Gründung auch die notwendige Rechtsgrundlage erhalten. Sie ist durch die späteren gesetzlichen Ordnungen des Vereinswesens nicht beeinträchtigt. Der Verein ist als ganzes sowohl wie in jeder der beiden Abteilungen als staatlich anerkannte Rechtspersönlichkeit anzusehen [FN8].

In der Gründungssitzung hielt Hofgerichtsadvokat Dr. Joseph Sommer ein richtungsweisendes Referat über die Aufgaben des Vereins. Er sah sie in der Arbeit an den Quellen der Geschichte. Er wies auf die Archive hin, in denen die vom Staat in der Säkularisation erworbenen dokumentarischen Überlieferungen der aufgehobenen kirchlichen Institute zusammengefaßt waren. Ihre Ordner (Meyer und Wigand) seien anwesend. Von der Arbeit im Verein erhoffte er mit der Zeit »vollständige Codizes diplomatici«, da man hier weit mehr leisten könne, als wenn bloß die große Frankfurter Gesellschaft (zur Herausgabe der Monumenta Germaniae Historica, gegr. 1819) gelegentlich sich unserer Geschichte als eines kleinen Teils ihrer großen Aufgabe annehme. Ihm lag aber auch das Anliegen am Herzen, sich in der Erforschung des einzelnen nicht zu zersplittern, sondern auch die großen Zusammenhänge zu sehen. Er war sich klar darüber, daß die Zahl derer klein sei, die sich für diese Arbeit interessierten und die Herausgabe eines Codex diplomaticus als Subscribenten fördern würden. »Die Geschichte von Westfalen« sei »bisher kein Gegenstand des öffentlichen Unterrichts, während die Begebnisse der Phönizier und Parther und Meder von solchem Unterrichte nicht ausgeschlossen sind«. Er schloß mit einem Aufruf zur Beteiligung an der Erforschung der Westfälischen Geschichte [FN9].

Sommers Forderung nach einer Veröffentlichung der Urkunden Westfalens ist nicht unerhört verhallt. Der Verein hat die Herausgabe eines Westfälischen Urkundenbuches als seine vornehmste und erste Aufgabe gesehen und sich überhaupt der Sammlung und Veröffentlichung westfälischen und historischen Schrifttums angenommen, zu der er in beiden Abteilungen Archive und Bibliotheken anlegte wie er in seinen Museen Gegenstände der Kunst und des Brauchtums gesammelt hat. Von Anfang an hat ihn auch die Vorgeschichte und Frühgeschichte und Sammlung von Funden aus prähistorischer und frühgeschichtlicher Zeit beschäftigt. Dabei sollte »die Tendenz des Vereins nie eine andere als eine rein wissenschaftliche sein«. [FN10]

Die Herren, die sich zur gemeinsamen Arbeit an der Geschichte Westfalens zusammengeschlossen hatten, betrachteten sich allesamt als Westfalen. Noch lagen die Zeiten nicht lange zurück, da der Name Westfalen ein Stammesgebiet bezeichnete. Es war politisch zu einem »Westfälischen Kreis« zusammengefaßt gewesen, der im Norden die Grafschaften Emdern, Oldenburg und Delmenhorst, im Osten die Grafschaften Hoya, Schaumburg und Spiegelberg, im Süden die Grafschaften Waldeck und Marck und das Herzogtum Westfalen (kurköln. Sauerland), im Westen die Herzogtümer Berg und Cleve umfaßte [FN11]. In der neuen Provinz Westfalen waren nur die vom Wiener Kongreß dem Königreich Preußen zugesprochenen westfälischen Landschaften vereinigt, vermehrt um das Siegerland, das nichtwestfälisch war. Der Verein wollte sich um die Geschichte der von den Westfalen geprägten Landschaften bemühen. Das Bewußtsein, daß auch das nördliche Waldeck, das Lipperland, die Grafschaft Pyrmont und ebenso das Osnabrücker Land zu Westfalen gehörte, war noch lebendig. Besonders deutlich wurde das, als man nach der Bestätigung des Vereins und der Satzungen durch den König 1827 daranging, die nichtwestfälischen Mitglieder des Vereins, denen man eine Teilnahme an den Vereinssitzungen bei den damaligen Verkehrsverhältnissen nicht zumuten konnte, als korrespondierende Mitglieder zu bezeichnen und mit den Ehrenmitgliedern in einer Liste zusammenzufassen. Daß darunter auch einige in Westfalen wohnende Mitglieder waren, die wohl von vornherein eine Beteiligung an den Zusammenkünften nicht zusagen wollten [FN12], ist hier nicht von Bedeutung. Die Herren aus Corbach und Arolsen, aus dem Lipperland und aus Pyrmont waren in Paderborn ordentliche Mitglieder, wie die Abteilung Münster auch Osnabrücker Herren aufnahm.

Die korrespondierenden und Ehren-Mitglieder waren von der Abteilung Paderborn schon aufgenommen, bevor sich die Abteilung Münster gebildet hatte. Sie sind zunächst auch weiterhin von der Abteilung Paderborn verzeichnet worden, wie die von Wigand veröffentlichte Liste und die von Brand geschriebene ausweisen. Sie waren aber dem ganzen Verein zugeordnet, wie denn auch die Neumitglieder, die bei einer der Abteilungen die Mitgliedschaft erwarben, damit Mitglieder des Gesamtvereins waren. Daran hat sich bis heute nichts geändert, wenn auch die Mitgliedsbeiträge den Kassen der Abteilungen zukommen und durch die Abteilungen verausgabt werden. So schwierig das auch aussieht, so hat es doch das Einvernehmen zwischen den Abteilungen nicht getrübt.

Ein Blick auf die Zahl der Mitglieder zeigt bedeutende Unterschiede zwischen den Gründungsjahren und der heutigen Zeit auf. Diese Unterschiede sind viel tiefer, als sie sich beim oberflächlichen Zuschauen erkennen lassen, und in der Verschiedenartigkeit der Zeitverhältnisse begründet. 1824 hatten sich Männer zusammengetan, die bei ihren Zusammenkünften die historische Arbeit fördern wollten. Das war nur möglich, wenn der einzelne sachkundig war. So hing denn auch die Aufnahme neuer Mitglieder von dem Votum der Versammlung ab: Nur wer bereits geschichtlich gearbeitet hatte, wurde als Mitglied vorgeschlagen und gewählt. Daß es bei einer solch strengen Begrenzung des Mitgliederkreises doch zu einer relativ guten Beteiligung an den Versammlungen kam, wie es für die Abteilung Paderborn die mit dem Mitgliederverzeichnis 1824-1836 veröffentlichte Tabelle erkennen läßt, ist in Anbetracht der damaligen Verkehrsverhältnisse erstaunlich und erfreulich. Darin lag aber auch der Grund für ersprießliche Tätigkeit in den ersten Jahrzehnten nach der Gründung. Die Veröffentlichung des Urkundenbuches für die Zeit bis 1200 in den Jahren 1847-1851 war nur durch die unverdrossenen Vorarbeiten beider Abteilungen seit Gründung des Vereins möglich.

Eine Änderung wurde schon früh herbeigeführt durch eine Neuordnung der Vereinszeitschrift. An die Stelle des von Wigand herausgegebenen Archivs für Geschichte und Altertumskunde Westfalens, das von 1825-1838 erschien und von den einzelnen Interessenten innerhalb und außerhalb des Vereins bezogen werden mußte, trat 1838 die in Münster erscheinende Zeitschrift für vaterländische Geschichte und Altertumskunde Westfalens, die von den beiden Direktoren des Vereins als Organ des Vereins herausgegeben und den Mitgliedern als Gegengabe für ihren Beitrag geliefert wurde. Nunmehr lag die redaktionelle und finanzielle Verantwortung für die Zeitschrift bei den Vorständen der beiden Abteilungen. Eine Erhöhung der Mitgliederzahl konnte das Aufbringen der Kosten für das neue Unternehmen erleichtern. Das Publikationsorgan vermochte nun auch solche Personen erreichen, die an den Versammlungen nicht teilnehmen und an den wissenschaftlichen Aufgaben, die der Verein sich gesetzt hatte, nicht mitarbeiten konnten; es konnte diese an den Verein näher heranführen. Tatsächlich steigen in diesen Jahren die Mitgliederzahlen. Einzelheiten erübrigen sich hier, da sie aus dem Beitrag von Hildegard Ditt in diesem Bande zu ersehen sind.

Eine weitere Förderung erreichten beide Abteilungen des Vereins durch Verlegung ihrer Hauptversammlungen in auswärtige Städte. Die Voraussetzung dazu bot das um die Mitte des 19. Jahrhunderts entstehende Eisenbahnnetz in Westfalen. Einen ersten Versuch machte die Abteilung Paderborn mit einer Versammlung am 11. September 1855 in Arnsberg, die allerdings vor allem eine besondere Ehrung für Johann Suitbert Seibertz und eine Anerkennung der regen Teilnahme einer Arnsberger Gruppe an den Arbeiten des Vereins sein sollte. Man konnte immerhin damals bis Soest die Bahn benutzen. Seit 1860 hat aber die Paderborner Abteilung ihre Hauptversammlungen, begünstigt durch die neuen Verkehrsmöglichkeiten, fast regelmäßig auswärts gehalten. Münster hat die erste auswärtige Versammlung erst 1892 geplant, konnte sie aber wegen Cholera-Gefahr nicht durchführen und hat erstmals 1895 in Warendorf eine Jahrestagung auswärts abgehalten. Aber erst seitdem man mit Omnibussen jeden Platz erreichen und mit der Hauptversammlung kulturgeschichtlichen Exkursionen verbinden konnte, hat man auch in Münster (seit 1958) fast regelmäßig die Hauptversammlungen auswärts gehalten.

Wenn hier Grundzüge der Weiterentwicklung des Vereins zur Sprache kommen, darf ein Aspekt nicht verschwiegen werden. Das ganze 19. Jahrhundert hindurch war der Altertumsverein eine Männergesellschaft. In der Paderborner Abteilung hat man erst bei der Hauptversammlung in Brilon 1901 des Besuches einer Dame gedacht, der Dichterin Johanna Baltz, die der Versammlung ein Gedicht gewidmet hatte.

In der Abteilung Münster hatte man 1862 begonnen, im Winterhalbjahr historische Probleme in Vorträgen einem weiteren Kreis vorzutragen. In Paderborn ist das seit der Übernahme der Geschäfte des Vereins durch Pfarrer Konrad Mertens 1880 geschehen. Diese Einrichtung ist in beiden Abteilungen mit Erfolg durchgeführt worden. Da auch die Presse über diese Vorträge berichtete, wurden weite Kreise der Bevölkerung mit historischen Fragen bekannt, aber auch, was noch wichtiger ist, mit der Geschichte der Heimat und ihrer kulturellen Überlieferung vertraut.

Seit 1909 gibt der Verein auch eine zweite Zeitschrift heraus, die sich schlicht »Westfalen« nennt. Sie sollte ursprünglich »Mitteilungen des Vereins für Geschichte und Altertumskunde Westfalens und des Landesmuseums der Provinz Westfalen« in vier Heften bringen und so stets über das Neueste unterrichten können. Die Zahl der Hefte ist verschiedentlich noch vermehrt worden, bis man wieder auf die Vierzahl zurückkam, obwohl seit Jahren aus Gründen der Portoersparnis das Erscheinen eines Jahresbandes oder von zwei Halbjahrheften die Regel bildet.

Der Verein hat sich von Anfang an der Unterstützung staatlicher Organe erfreut. Dazu gehört als erstes die Bewilligung der Portofreiheit für Sendungen des Vereins vom 27. September 1825. Darüber hat Eugen Müller berichtet [FN13]. In der Herbstversammlung in Paderborn am 18.9.1826 hatte die Nachricht, daß der König eine Beihilfe von 200 Reichstalern bereits bewilligt und die gleiche Summe für die drei folgenden Jahre für die Veröffentlichungen des Vereins zugesichert hatte »die lebhafteste und freudigste Sensation« erregt. Da der Verein mit seiner Arbeit Aufgaben übernahm, die im Interesse der Öffentlichkeit lagen, hat später die Provinzialverwaltung bzw. der Landschaftsverband den Verein durch Zuwendung von Beihilfen gefördert. Ohne diese wäre der Verein nicht in der Lage gewesen, seine Vorhaben so zu erfüllen, wie das im Laufe der 150 Jahre geschehen ist. Hier ist sowohl an die dokumentarischen und musealen Sammlungen der beiden Abteilungen des Vereins zu denken, wie auch an die große Zahl der Veröffentlichungen. Ein systematisches Verzeichnis aller Aufsätze, die in den drei Zeitschriften des Vereins, in Wigands Archiv, in der Westfälischen Zeitschrift und der Zeitschrift Westfalen erschienen sind, sowie aller sonstigen im Auftrage des Vereins oder einer Abteilung herausgegebenen Schriften ist in Vorbereitung und wird in Kürze eine Übersicht darüber bieten. Es soll die bisher erschienenen beiden Register über den Inhalt der Bände 1-50 und 51-75 der Westfälischen Zeitschrift nicht ersetzen, sondern zu ihnen hinführen. Ein eingehendes Register zur Zeitschrift Westfalen und für die Westfälische Zeitschrift von Band 76 an sind gleichfalls in Arbeit.

Damit soll die kurze Übersicht über die Geschichte des Gesamtvereins in den 150 Jahren seines Bestehens beendet werden, damit von der Entwicklung der beiden Abteilungen eingehend berichtet werden kann.

Anmerkungen
1 Siehe den Abdruck in WestfZ 124/125, S. 29.
2 Vgl. hierzu die im Staatsarchiv Detmold aufbewahrten Schriftstücke der Regierung in Minden, die F. G. Hohmann in einem eigenen Beitrag in der WestfZ 124/125 veröffentlicht.
3 Einen Auszug aus dem Protokoll hat P. Wigand gleich nach der Versammlung als vierseitigen Druck herausgegeben. Später hat er ihn in seinem Archiv für Geschichte und Altertumskunde Westfalens Bd. 1 (1825), S. 2-6 erneut abgedruckt.
4 Allgemeines Landrecht für die preußischen Staaten, hrsg. Mit Komm. von C. F. Koch, T. 2, 2. Aufl. 1857, Tit 6, § 1,2 und §§ 25, 26.
5 Vgl. den Abdruck in WestfZ 124/125, S. 40.
6 Die Statuten vom 28.11.1826 finden sich in Wigands Archiv Bd. 2, S. 96-100.
7 Wigands Archiv Bd. 2, S. 216.
8 Allg. Landrecht (wie Anm. 4), S. 513f., Anm. 7.
9 Der Vortrag ist in Wigands Archiv Bd. 1, H. 1, S. 7-10, veröffentlicht.
10 So die Statuten in § 1. Wie Anm. 5, WestfZ 124/125, S. 96.
11 Eine Karte von etwa 1720: Circuli Westfaliae in omnes Suds statutus et provincias accurate divisi Nova et exacta Tabula edita sumptibus Joh. Baptistae Homann Noribergae (o. J.) stellt es so dar. – P. Casser, Der Niederländisch-Westfälische Reichskreis, in: Der Raum Westfalen, Bd. 2, 2 (1934), S. 35ff., weist darauf hin, daß dieser Reichskreis „auch kurz der Westfälische Kreis“ genannt wurde. Er zeigt, wie westfälische Gebiete zu anderen Kreisen kamen und nichtwestfälische dem Westfälischen Kreis zugerechnet wurden. Dazu ist auch J. D. von Steinen, Westphälische Geschichte, Bd. 1 (Lemgo 1755) zu vergleichen, der im Kap. 1: „Von dem Lager und Grenzen“ den Westfälischen Kreis behandelt und auf die Unterschiede in der Zuweisung von Landesteilen zum Kreis spricht (S. 4ff.); Casser hat im obengenannten Artikel v. Steinen übersehen. – Hier ist die Karte von Homann nur herangezogen, um zu zeigen, daß das westfälische Land von der preußischen Provinz nicht voll erfaßt wurde.
12 So Koppe in Minden, der der Entfernung wegen sich an den Versammlungen nicht beteiligen wollte und zum Ehrenmitglied ernannt wurde. Vgl. die Aktenveröffentlichung von F. G. Hohmann in WestfZ 124/125.
13 E. Müller, 33 Jahre Portofreiheit für den „Verein für Geschichte und Altertumskunde Westfalens“ (1825-1857), WestfZ 85 (1928), S. 286-289.

(Aus: Westfälische Zeitschrift 124/125, 1974/1975, S. I-VI)

Klemens Honselmann
Die Abteilung Paderborn 1824–1924, 1925–1974 (1974/75)

Die Geschichte der Abteilung Paderborn für die Zeit von 1824 bis 1899 hat Wilhelm Richter in einem Vortrag am 27. Juni 1899 in der Paderborner Generalversammlung, die aus Anlaß der Jubiläumsfeier stattfand, dargelegt. Der Vortrag liegt in der Westfälischen Zeitschrift gedruckt vor. 25 Jahre später hat der damalige Paderborner Vereinsdirektor Johannes Linneborn in der zum hundertjährigen Bestehen des Vereins erschienenen Festschrift einen Rückblick auf die Geschichte der Paderborner Abteilung geschrieben [FN1]. Der Chronist von heute muß zunächst auf das, was dort gesagt ist, zurückverweisen. Da aber nur wenige der jetzigen Mitglieder des Vereins diese Veröffentlichungen besitzen, muß er in Kürze auch über die ersten hundert Jahre berichten und dann sich etwas ausführlicher den im Zusammenhang noch nicht behandelten letzten fünfzig Jahren des Vereins zuwenden.

Der Beginn in Paderborn hat nach einer langen Anlaufzeit unter einem besonders günstigen Stern gestanden. Ignatz Theodor Liborius Meyer, der zur Gründungsversammlung einlud, ist nach allem der richtige Mann gewesen, die Geschicke des Vereins in die Hand zu nehmen. In Paderborn am 29.5.1773 geboren, hatte er in Würzburg und Göttingen studiert, war 1790 Kanonikus im Stift Busdorf geworden und 1811 zum Assessor am bischöflichen Generalvikariat ernannt. In der »vaterländischen« Geschichte hatte schon sein Onkel, der Jesuit Aloysius Wenneker, später Propst der Gaukirche (gest. 1792), gearbeitet, als er als Beilage zu Paderborner Kalendern seit etwa 1745-1774 in vielen Folgen eine »Paderbornische Kirchengeschichte« herausgab, die er nach der Aufhebung der Gesellschaft Jesu nicht mehr fortsetzte [FN2]. Seine erste Aufgabe in bezug auf historische Dokumente wurde ihm 1816 zugewiesen. Meyer bekam staatlicherseits den Auftrag, eine Anzahl von Archivalien des Domstiftes, des Klosters Abdinghof und des Stiftes Neuenheerse, die 1810 dem diplomatischen Apparat der Göttinger Universitätsbibliothek überwiesen waren, gemäß einem Übereinkommen der Preußischen Staatsregierung mit dem Ministerium des Königreichs Hannover nach Paderborn zurückzuholen. Er hatte nach Meinung der damit beauftragten Stellen die Sachkenntnisse, die für die Erledigung des Mandats notwendig waren. Nach gelungener Durchführung der Angelegenheit unterbreitete Meyer seinen Auftraggebern seine Gedanken über die Aufbewahrung und wissenschaftliche Benutzung der dem Staat bei der Aufhebung der kirchlichen Institute zugefallenen Archivalien und erklärte sich bereit, die Ordnung des Paderborner Domarchivs zu übernehmen. Seine Vorschläge wurden gutgeheißen. Meyer wurde beauftragt, »aus freier Liebe zur Sache« sich um die Pflege des Archivguts zu bemühen und erhielt die Erlaubnis zum Zutritt zu den Archiven, die sich noch in der Verwahrung der Domänen-Administratoren befanden [FN3]. Meyers Anregungen führten zu dem Plan, die Archive der Provinz Westfalen in Münster zu sammeln. Man bat ihn um Äußerung, ob und unter welchen Bedingungen er die Leitung eines westfälischen Gesamtarchivs in Münster übernehmen wolle. Er müsse dann nach Münster übersiedeln. Meyer zog es vor in Paderborn zu bleiben und in aller Stille an der Sichtung der Archivalien zu wirken [FN4]. Ob Paul Wiegend, der am 24. Dezember 1817 bei der Regierung in Minden sich anbot, bei der Ordnung und Verzeichnung der Archive, insbesondere des Corveyer zu helfen [FN5], damals schon Fühlung mit Meyer hatte, ist nicht bekannt.

1822 war Meyer zum Archivkommissar für den unterwaldischen Distrikt des Hochstifts ernannt worden. Im folgenden Jahre wurde er auf Veranlassung der Regierung bei der Neuerrichtung des Domkapitels in Paderborn zum Domherrn ernannt. Von anderen kirchlichen Ämtern ist er damals wohl entbunden worden. Er konnte sich ganz der Arbeit in den Archiven widmen und im folgenden Jahre zur Gründung eines Geschichtsvereins einladen. Er war damals 51 Jahre alt. Mit Eifer und Ausdauer hat er sich der Leitung des Vereins gewidmet. Die in dieser Festgabe veröffentlichte Mitgliederliste läßt das Aufblühen des Vereins erkennen. Dazu hat offenbar auch die Gastfreundschaft Meyers, der für die Versammlungen sein Gartenhaus bereitstellte und mit Erfrischungen aufwartete, viel beigetragen [FN6]. Zu korrespondierenden Mitgliedern des Vereins konnte ein großer Teil der maßgeblichen deutschen Historiker seiner Zeit gewonnen werden [FN7]. Erstes Ziel seiner Arbeit im Verein war die Schaffung eines Westfälischen Urkundenbuches. Der Erfolg seiner Bemühungen um die Herausgabe des ersten Teiles eines Codex diplomaticus historiae Westphaliae hat Meyer nicht mehr erlebt. Zwar heißt es im Bericht der Hauptversammlung in Münster vom 5.7.1838, der Direktor der Paderborner Abteilung, Domkapitular Meyer, habe den von ihm übernommenen Teil für das allgemeine westfälische Urkundenbuch vollendet und zur Schlußredaktion abgegeben; weiter wird berichtet, der baldigen Vollendung des ersten Bandes sei mit Sicherheit entgegenzusehen. Aber als Meyer am 18. September 1843 starb, war mit dem Druck noch nicht begonnen. In seinem Nekrolog über ihn betonte Erhard, er könne »nur mit schmerzlichen Gefühlen daran denken, daß es ihm, dem ersten Anreger und Urheber dieses Werkes nicht mehr vergönnt war, die Ausführung desselben zu erleben« [FN8]. 1847 erschien der erste Band, aber in der Vorrede dazu hat Erhard die Verdienste Meyers um das Urkundenbuch mit keinem Wort gewürdigt.

Meyer standen mehrere tüchtige Mitarbeiter zur Seite. Hier sind zunächst seine Paderborner Freunde zu nennen, Josef Bessen, der Verfasser der Geschichte des Bistums, der aber seit 1830 kränklich war und schon 1838 starb, Franz Josef Gehrken, der sein Nachfolger als Vereinsdirektor wurde, und Franz Josef Brand, seit 1828 Schriftführer der Abteilung. Von den auswärts wohnenden Mitgliedern ist an erster Stelle der Kurator des Vereins, der Oberpräsident Ludwig von Vincke zu nennen, sodann Paul Wiegend, der »im Namen des Vereins« das schon zitierte Archiv herausgab. Auch die übrigen Paderborner und viele auswärtigen Mitglieder haben durch fleißige Mitarbeit Meyer unterstützt. Meyer hatte den Verein 18 Jahre lang leiten können. Der Leiter der Abteilung Münster, der erste Direktor des Staatsarchivs in Münster setzte ihm »ein biographisches Denkmal«, das schon verschiedentlich herangezogen ist. [FN9]

Meyers Nachfolger in der Leitung des Vereins, Kriminaldirektor Dr. Franz Josef Gehrken, war bei der Übernahme seines Amtes am 27. Oktober 1843 bereits 73 Jahre alt. Er hat nur eine Hauptversammlung leiten können und starb schon am 31. März 1845. Nun wurde am 5. Mai 1845 Justizrat Georg Josef Rosenkranz gewählt. Er hatte, nachdem er 1836 dem Verein beigetreten war, die Westfälische Zeitschrift durch mehrere Aufsätze reichert. Seinen Mühen um den Verein wurde aber schon bald ein Ziel gesetzt. Er starb bereits am 22. Februar 1855.

Sein Nachfolger Dr. Wilhelm Engelbert Giefers hat die Leitung des Vereins mehr als 25 Jahre innegehabt. Als er 1851 im Alter von 38 Jahren als Hilfslehrer am Gymnasium Theodorianum angestellt wurde, war er bereits durch eine Reihe von Veröffentlichungen, die er zum Teil auch der Westfälischen Zeitschrift hatte zukommen lassen, weiteren Kreisen bekannt. Der Verein hatte sogleich an ihm ein eifriges Mitglied. Giefers wurde bald durch seine zahlreichen Schriften einer der bekanntesten westfälischen Historiker. Als er dann 1855 zum Vereinsdirektor gewählt war, hat er mit dem Brauch begonnen, die Hauptversammlungen des Vereins in den verschiedensten Orten in den Regierungsbezirken Minden und Arnsberg abzuhalten, und dadurch den Verein zu neuer Blüte gebracht. 1865 konnte er bei der Versammlung in seiner Heimatstadt Brakel 138 Besucher begrüßen [FN10], von denen 77 dem Verein neu beitraten. Den Höhepunkt bildete die Versammlung in Höxter 1869 mit 150 Besuchern.

In seinen letzten Jahren scheint Giefers in seinem Bemühen für &e Vereinsarbeit nachgelassen zu haben. Er ließ sich 1874 im Alter von 57 Jahren pensionieren und zog nach Brakel, um in aller Ruhe wissenschaftlich arbeiten zu können. Berichte über die Jahresversammlungen, wie sie bis 1870 in der Westfälischen Zeitschrift veröffentlicht waren, fehlen für ein Jahrzehnt. Erst 1881 wird wieder über eine Versammlung am 17. u. 18. Mai 1880 in Brakel berichtet, die Giefers leitete. Damals wurde dem Vereinsdirektor Kaplan Dr. Konrad Mertens zum Coadjutor mit dem Rechte der Nachfolge beigestellt. Am 26. Nov. 1880 ist Giefers, mitten in der Arbeit, an einem Gehirnschlag gestorben.

Der neue Vereinsdirektor Dr. Mertens, damals noch Kaplan, seit 1892 Pfarrer in Kirchborchen, hat sich mit großem Eifer und mit viel Geschick um den Verein bemüht. Neben wissenschaftlichen Arbeiten, vor allem auf dem Gebiet der Bistumsgeschichte, hat er sich um die Vorgeschichte unserer Gegend bemüht, aber sich auch durch Sammlung von alten heimatgeschichtlichen Drucken, Bildern und musealen Objekten verdient gemacht. Zu Beginn seiner Tätigkeit mußte er in der Bibliothek, im Archiv, besonders aber in der Kasse des Vereins wieder Ordnung schaffen. Die Zahl der Vereinsmitglieder stieg von etwa 180 (1880) auf 397 (1903). Seit 1884 wurden auf seine Anregung hin auch in Paderborn Wintervorträge gehalten, wie sie in Münster bereits seit 1862 üblich waren. An den Orten der Hauptversammlungen wurden vielfach auch Ausstellungen kunstgeschichtlicher Art durchgeführt. Zur Elfhundertjahrfeier des Besuches Papst Leo III. bei Karl d. Gr. in Paderborn wurde eine große Kunstausstellung in der Aula des Theodorianum veranstaltet. Am 18. März 1905 ist Mertens im Alter von 69 Jahren gestorben.

Nun wurde Dr. Bernhard Kuhlmann, Geistl. Oberlehrer am Theodorianum, von der Hauptversammlung in Warburg am 13. September 1905 zum neuen Vereinsdirektor gewählt. Er hatte in der Westfälischen Zeitschrift bereits Aufsätze über den Aufenthalt Papst Leos III. im Paderborner Land, über Eresburg und Irmensul und über die Geroldskapelle in Paderborn veröffentlicht. Nach der Übernahme der Vereinsgeschäfte wurde er bald kränklich, verzichtete 1909 auf die Vereinsleitung und starb im Alter von 64 Jahren am 11. Januar 1911 in Niedermarsberg.

Sein Nachfolger wurde Prof. Dr. phil. et theol. Johannes Linneborn, 1867 in Hagen bei Allendorf geboren und 1892 zum Priester geweiht. Sein Hauptarbeitsgebiet war die Geschichte der westfälischen Klöster in der Bursfelder Kongregation gewesen. 1908 hatte er ein Jahr am Preußischen Historischen Institut in Rom arbeiten können. 1910 wurde er als Nachfolger des zum Bischof von Paderborn geweihten Karl Josef Schulte Professor des Kirchenrechts an der Philosophisch-Theologischen Hochschule in Paderborn. Er erhielt Ende 1918 eine Berufung auf den Lehrstuhl für Kirchenrecht an der theologischen Fakultät der Universität Bonn, nahm aber, als sich die Verhandlungen infolge der Nachkriegsverhältnisse hinzogen, 1919 das Angebot einer freigewordenen Domherrnstelle an und wurde zwei Jahre danach Dompropst. Seit 1924 Abgeordneter im preußischen Landtag, hat er sich um die Förderung der Kulturpolitik bemüht und war an den Neuregelungen zwischen Staat und Kirche beteiligt, die zum Konkordat von 1929 führten.

Am 9. November 1909 war Johannes Linneborn zum neuen Direktor der Paderborner Abteilung des Vereins gewählt worden. Es gab mancherlei in Ordnung zu bringen. Die Hauptversammlungen fanden nun wieder regelmäßig auswärts statt. Die Zahl der Mitglieder stieg von 376 im Herbst 1909 auf 551 im Jahre 1913 und auf 700 im Jahre 1923. Schwere Zeiten brachte der Weltkrieg 1914/18.1915 und 1916 mußten die Wintervorträge ausfallen, 1917 konnten sie wieder gehalten werden. Die Notzeit nach dem Kriege begünstigte dann die Besinnung auf die Werte der Vergangenheit. Die Wintervorträge, an denen sich auch Prof. Fuchs beteiligte – besonders beliebt waren seine von Lichtbildern unterstützten Darbietungen über die Geschichte der älteren Paderborner Kirchen -, gewannen dem Verein neue Mitglieder.

1924 konnte Linneborn zur Hundertjahrfeier des Vereins ins Rathaus einladen und den Tag in einer glanzvollen Versammlung feiern. Linneborn hat, wie schon vorher, auch als Vereinsdirektor eine Reihe von Aufsätzen in der Westfälischen Zeitschrift veröffentlicht, die hier nicht genannt werden können. Ende 1924 legte er mit Rücksicht auf seine anderweitige Belastung sein Amt nieder. Es waren ihm noch sieben Jahre unermüdlicher Arbeit beschert. Er starb am 26. Januar 1933 [FN11].

In diesem Überblick über die Geschichte des Vereins in den ersten 100 Jahren sind nur für die Zeit der Führung durch Domkapitular Meyer einige seiner Mitarbeiter genannt. Auch die Nachfolger sind durch viele uneigennützige Geschichtsfreunde unterstützt worden. Von diesen sind heute vor allem noch jene bekannt, die sich um die Erforschung der Landesgeschichte selbst bemüht und ihre Arbeiten in den Vereinszeitschriften veröffentlicht haben. Johannes Linneborn hat ihrer in seinem Rückblick gedacht, worauf hier verwiesen werden muß [FN12]. Einige sollen aber auch hier folgen. Es können nur solche genannt werden, die noch weiteren Kreisen bekannt sind.
Hermann Abels, Redakteur beim Westfälischen Volksblatt, Paderborn, gestorben 1932.
Klemens Bäumker, Professor in München, gestorben 1924.
Anton Bieling, Domkapitular in Paderborn, gestorben 1892.
Johannes Graf Bocholtz-Asseburg auf der Hinnenburg, gestorben 1898.
Georg von Detten, Justizrat in Paderborn, gestorben 1919.
Julius Evelt, Theologieprofessor in Paderborn, gestorben 1879.
Anton Gemmeke, Pfarrer in Neuenheerse, gestorben 1938.
Heinrich Kampschulte, Pfarrdechant in Höxter, gestorben 1878.
August Koch, Domkapitular in Paderborn, gestorben 1881.
Franz von Löher, Professor in München, gestorben 1892.
Lorenz Leineweber, Geistl. Studienrat in Brilon, gestorben 1923.
Wilhelm Richter, Professor in Paderborn, gestorben 1922.
Franz Xaver Schrader, Pfarrer in Natzungen, gestorben 1911.
Friedrich Schröder, Geistl. Studienrat in Paderborn, gestorben 1966.
Wilhelm Spancken, Kreisgerichtsrat in Paderborn, gestorben 1886.
Franz Tenckhoff, Theologieprofessor in Paderborn, gestorben 1921.

Alle diese Mitglieder haben die Westfälische Zeitschrift, z. T. auch die Zeitschrift Westfalen durch ihre Beiträge bereichert. Im einzelnen wird das in dem zum Druck vorbereiteten systematischen Register nachgewiesen, wo auch die Nekrologe verzeichnet sind. Von den genannten Herren waren neun katholische Priester. Der katholische Klerus hat in der Paderborner Abteilung stets eifrig mitgearbeitet, obwohl der Verein nie konfessionell ausgerichtet war und unter den Gründungsmitgliedern wenigstens vier evangelischer Konfession hatte.

1925–1974

Mit der Übernahme der Leitung des Vereins durch Pfarrer Dr. Hermann Joseph Wurm beginnt eine neue Periode der Vereinsgeschichte, über die bisher nicht zusammenhängend berichtet worden ist. Es soll deshalb für diese Jahre zunächst ein Gesamtüberblick gegeben werden.

Die Zeit von 1924 bis etwa 1928 war eine Zeit wirtschaftlicher Blüte, die auch die Finanzen des Vereins begünstigte. Die Zahl der Mitglieder belief sich auf etwa 700, darunter 13 Ehrenmitglieder, ging aber bis 1928 langsam zurück. Neben den Hauptversammlungen (in Büren, Meschede, Lippstadt und Bad Driburg) fand 1928 erstmals auch eine Studienfahrt statt.

Die Benutzung des Archivs und der Bibliothek wurde 1925 durch einen Vertrag zwischen dem Verein und der Bischöflichen Akademischen Bibliothek erleichtert. Als die Akademische Bibliothek 1915 ein neues Gebäude bezogen hatte, waren darin auch Bibliothek und Archiv des Vereins mit Zustimmung des Bischöflichen Stuhles untergebracht worden. Sie konnten aber nur benutzt werden, wenn ein Bibliothekar oder Archivar des Vereins anwesend war. Nunmehr wurden Bibliothek und Archiv des Vereins der Verwaltung der Akademischen Bibliothek übergeben. Die Mitglieder konnten infolgedessen ohne vorherige Anmeldung in den üblichen Öffnungszeiten die Bibliothek und das Archiv des Vereins benutzen und in dem mit einer großen Handbücherei ausgestatteten Lesesaal arbeiten. Den Besuchern der Akademischen Bibliothek wurden gleiche Rechte in bezug auf die Bestände des Altertumsvereins zugebilligt [FN13].

Das Museum des Vereins, das in zwei Räumen an der Nordseite des Rathauses untergebracht war, wurde neu geordnet. Die ständige Vermehrung hatte zu einer Überfüllung geführt, die eine Freigabe weiterer Räume durch die Stadt erforderte. Es kam mehrfach zu Versprechungen. Aber wenn ein Raum frei wurde, standen auch dringende Raumanforderungen der Stadt an, so daß Abhilfe nicht geschaffen wurde.

Als sich in den folgenden Jahren die wirtschaftlichen Verhältnisse in Deutschland zusehends verschlechterten, wurde natürlich auch der Verein davon betroffen. Von 1931 an traten eine Reihe von Mitgliedern aus, die Beihilfe der Provinz verminderte sich von 2000,- auf 1000,- RM, dann auf 500,- RM. 1934 schätzte man die Zahl der Mitglieder auf rund 500, che Kasse wies einen Fehlbetrag von etwa 500,- RM aus. Für die Bibliothek konnte nichts mehr erübrigt werden. 1937 war das Minus auf etwa 4000,- RM angewachsen.

Das Leben im Verein hatte sich in der gewohnten Weise entfalten können, und auch die nationalsozialistische Herrschaft versuchte in dieser Zeit nicht, einschränkend einzugreifen. Es konnten jährlich neben den Hauptversammlungen auch Studienfahrten unternommen werden. Die Wintervorträge erfreuten sich wachsender Beliebtheit. Das gilt vor allem für die Vorträge von H. J. Wurm, der die Externsteine als vorchristliches Heiligtum, und von A. Fuchs, der sie als christliches Heiligtum behandelte.

Die Veranstaltung des Westfalentages für 1937 in Paderborn brachte für das Museum im Rathaus die schon lange erhoffte Erweiterung. Die südlichen Räume wurden instandgesetzt und dem Museum überlassen, das nun seine Sammlungen im gesamten Erdgeschoß neu aufstellen konnte. Das war um so mehr willkommen, als die 1935 vollendete Beschaffung von Delbrücker Trachten den für eine Ausstellung notwendigen Platz finden konnte [FN14].

Das Jahr 1938 brachte eine schmerzliche Wende im Leben des Vereins. Die Nationalsozialisten hielten es nicht für möglich, den katholischen Pfarrer Dr. Hermann Josef Wurm, der seit Ende 1924 den Verein zur vollen Zufriedenheit der Mitglieder geleitet hatte, als Vereinsdirektor zu dulden. Ein Schriftstück über die damaligen Vorgänge liegt nicht vor. Vermutlich hat es auch ein solches nicht gegeben. Am 1. Juli 1938 verzeichnete Wurm die seit dem 1. August 1937 gehaltenen Vorträge und die Veränderungen im Mitgliederbestand und setzte lakonisch hinzu: Dies ist mein letzter Bericht. Mit der Wahrnehmung der Vereinsgeschäfte beauftragte der Vorstand den Studienrat Dr. Heinrich Vedder. Das Kuratorium des Vereins, das seit der Zeit Ludwig von Vinckes der jeweilige Oberpräsident der Provinz Westfalen innehatte, war vom neuen Oberpräsident Gauleiter Dr. Alfred Meyer übernommen. Sein Vorgänger Ferdinand Freiherr von Lüninck zu Ostwig bei Bestwig wurde auf Vorschlag des Vereinsvorstandes durch den Kurator als Vereinsdirektor berufen. Der Vorstand trat dann zurück, ein neuer, dem Dr. Vedder als Stellvertreter des Vereinsdirektors angehörte, wurde ernannt [FN15.

Dr. Vedder hat zwei Jahre den Verein leiten können. Der Bericht über das Jahr 1940/41 wurde mit dem Bemerken, daß der Vereinsdirektor von Lüninck und sein Stellvertreter Vedder zum Kriegsdienst einberufen seien, von Prof. Dr. Alois Fuchs erstattet, der »in die Bresche gesprungen« war und die Leitung des Vereins übernommen hatte. Band 96 der Westfälischen Zeitschrift konnte erst Anfang 1942 erscheinen. Von der Zeitschrift Westfalen erschien Heft 6 von Band 26 noch im Juli1942. Danach wurde 1943 noch ein Bericht über die Vereinsarbeit von Mitte 1941 bis Mitte 1943 vervielfältigt den Mitgliedern zugesandt, aber später noch einmal in Band 97 wieder abgedruckt.

1943/44 konnten die Wintervorträge noch in der üblichen Form gehalten werden. Die Jahreshauptversammlungen wurden (wie schon seit 1938) mit den Wintervorträgen verbunden. Im Winter 1944/45 fanden keine Veranstaltungen statt.

Am 11. September 1941 war Pfarrer Dr. Wurm in Neuhaus gestorben [FN16]. Ferdinand Frhr. v. Lüninck war am 14.11.1944 als Widerstandskämpfer hingerichtet worden. Dr. Vedder war ein Opfer des Krieges.

Um die wertvollen Sammlungen vor der Vernichtung bei Bombenangriffen zu schützen, waren schon 1943 Teile der Bibliothek im alten Archiv des Grafen von Westphalen in Fürstenberg zusammen mit Büchern der Akademischen Bibliothek und der damals in Paderborn befindlichen Bibliothek der Grafen von Fürstenberg, Herdringen, untergebracht. Sie sind dort durch den persönlichen Einsatz der Frau Gräfin gerettet worden. Das Archiv des Vereins war nach Hövelriege gebracht und der Obhut des damaligen Pfarrvikars in Hövelriege, des späteren Propstes der Gaukirche in Paderborn Dr. Wilhelm Tack anvertraut. Aus dem Museum im Rathaus waren die wertvollen Stücke in Sicherheit gebracht worden; ein großer Teil mußte aber am alten Platz verbleiben. Zuletzt wurden noch die im Dachgeschoß befindlichen Bücher des Altertumsvereins in den Keller der Akademischen Bibliothek geschafft.

Beim Bombenangriff auf Paderborn am 17. Januar 1945 wurde Prof. Dr. Fuchs, der Kustos des Museums, im Keller seiner Kurie verschüttet, wurde aber bewußtlos durch Soldaten und Luftwaffenhelfer, unter diesen das jetzige Vereinsmitglied W. Goertz, rechtzeitig herausgebuddelt und ins gegenüberliegende Vinzenzkrankenhaus gebracht, wo er längere Zeit liegen mußte. Das Rathaus, in dessen unteren Räumen noch ein großer Teil des Museumsgutes untergebracht war, wurde durch Bomben schwer beschädigt. Sämtliche Türen und Fenster wurden zertrümmert oder ausgehoben. Die verwüsteten Räume konnten nicht abgeschlossen werden. Einiges ist damals durch Diebstahl verlorengegangen. Bald darauf zog die Polizei ein. Ohne Nachrichten an den Verein wurde kurzerhand alles was sich an Schränken, Vitrinen sowie Truhen und Möbeln noch vorfand, in einem einzigen Raum so dicht zusammengestellt, daß eine Feststellung der Schäden unmöglich war. Die einzigen, die sich um die Museumsstücke kümmern konnten, waren Dr. Tack in Hövelriege und Baurat Michels in Paderborn. Am 22. März war ein Luftminenangriff auf Paderborn, bei dem der Archivar des Vereins Domkapitular Dr. Völker umkam.

Am 27. März fiel dann Paderborn fast vollständig der Zerstörung anheim. Das Rathaus brannte aus. Doch war der Raum, in dem das Museumsgut gestapelt war, durch ein feuerfestes Gewölbe geschützt, so daß das dort Gelagerte erhalten blieb. Die Gebäude des Leokonvikts und der Akademischen Bibliothek wurden bis auf die Keller zerstört.

Als am 1. April, am Karsamstag 1945, die Amerikaner in Paderborn einzogen, war Paderborn ein einziges Trümmerfeld. Jeder, der sein Leben gerettet hatte, war auf sich selbst gestellt, an seinen Platz gebunden und wußte nicht, wie es um Verwandte und Freunde stand. Post- und Verkehrsverbindungen gab es nicht. Erst langsam bekam man über das, was geblieben und was verloren war, Gewißheit.

Der Verein hatte alle im Gebrauch befindlichen Unterlagen und Mitgliederlisten eingebüßt. Noch war an eine Wiederbegründung des Vereins nicht zu denken. Die Besatzungsmacht hatte sieh die Zulassung von Vereinen vorbehalten. Erste Besprechungen von Vereinsmitgliedern mit Prof. Dr. Fuchs waren schon angeregt worden, als dieser sieh noch in seiner Notunterkunft im Pfarrhaus in Hellinghausen bei Lippstadt befand. Sie kamen erst zustande, als er im September 1945 im Clementinum bei Bad Driburg untergekommen war, das die Theologen des Bistums Paderborn von Herbst 1945 an aufnehmen sollte.

Am 19. Juni1946 gestattete die Englische Militärregierung dem Verein für Geschichte und Altertumskunde Westfalens in seinen beiden Abteilungen Münster und Paderborn die Wiederaufnahme seiner Tätigkeit, was der Generalreferent für Kultur beim Oberpräsident von Westfalen am 5. September 1946 dem geschäftsführenden Mitglied des alten Vereinsvorstandes der Paderborner Abteilung Alois Fuchs mitteilte. Am 1. Oktober meldete Fuchs bei der Englischen Militärregierung zwei Vorträge an, die in der Heiersburg in Paderborn am 6. November und am 5. Dezember 1946 gehalten werden sollten. Mit dem 2. Vortrag sollte eine Hauptversammlung verbunden sein, die neue Vereinssatzungen zu beschließen und einen neuen Vorstand zu wählen hatte. Beide Veranstaltungen konnten stattfinden. Es wurden gewählt zum Vereinsdirektor Domkapitular Prof. Dr. Fuchs, ferner Stadtbaurat a. D. Paul Michels, Bankleiter Heinrich Koch, Dr. Klemens Honselmann und Dr. Wilhelm Tack jeweils als Schriftführer, Kassierer, Bibliothekar und Beisitzer. Nunmehr konnten auch die sog. Entnazifizierungspapiere eingereicht werden. Damit war der Verein wieder konstituiert. Die neuen (Neben-)Satzungen wurden im ersten Nachkriegsband der Westfälischen Zeitschrift, Bd. 97, der erst Dezember 1947 fertiggestellt wurde, veröffentlicht. Von der Zeitschrift »Westfalen« erschien Heft 1 von Band 27 zu Beginn des Jahres 1948.

In den nächsten Jahren waren die Papierbeschaffung und Drucklegung noch recht schwierig. Die Westfälische Zeitschrift mußte bis 1954 mehrfach in Doppelbänden erschienen, während von der Zeitschrift »Westfalen« von 1950 an jährlich ein Band herauskommen konnte.

1949 konnte der Verein auf sein hundertfünfundzwanzigjähriges Bestehen zurückblicken. Aus diesem Anlaß fand am 20. Juli eine Festfeier im Saale des Hotels »Westfälischer Hof« statt, weil man in Paderborn noch keinen anderen geeigneten Raum hatte. Im Festakt am Morgen sprach der Vereinsdirektor über die Entwicklung der beiden Abteilungen seit 1824/25. Den Festvortrag am Nachmittag hielt der Direktor der Abteilung Münster, Prof. Dr. Eitel, über die denkwürdige Zusammenkunft Karls d. Gr. und Leos III., die 1150 Jahre zuvor stattgefunden hatte. In Band 99, der den Bericht über das Jubiläum brachte, konnte auch erstmals nach dem Kriege die Liste der Mitglieder (526) veröffentlicht werden.

1949 fand auch der erste Tag der Westfälischen Geschichte statt, eine Einrichtung auf Anregung des Landeskonservators Dr. Theodor Rensing, die die Lehrkräfte für Geschichte an den höheren Schulen mit der westfälischen Landesforschung und ihren Ergebnissen und Problemen vertraut machen sollte. Auch hier wurde des Vereinsjubiläums gedacht. Der gelungene Verlauf der Veranstaltung ließ den Gedanken, solche Tage der Westfälischen Geschichte alljährlich zu veranstalten, als durchaus richtig erscheinen [FN17].

Alois Fuchs hat als Vereinsdirektor die Abteilung Paderborn zielbewußt und unter großem persönlichen Einsatz zur früheren Blüte zurückgeführt, ja eine zuvor nie erreichte Zahl von Persönlichkeiten für die Ziele des Vereins begeistern können. Als er im Alter von 77 Jahren am 26. Oktober 1954 zurücktrat, um jüngeren Kräften Platz zu machen, war die Zahl der Mitglieder auf 947 angewachsen. Er hat auch weiterhin im Verein mitgearbeitet und bis 1962 die Besucher der Winterveranstaltungen durch seine hervorragenden Lichtbildervorträge erfreut.

Er starb am 25. Juni 1971 kurz nach Vollendung des 94. Lebensjahres [FN18].

Am 26. Oktober 1954 wählte die Mitgliederversammlung den Schreiber dieses Rückblicks zum Vereinsdirektor. Der wirtschaftliche Aufschwung in der Bundesrepublik war in vollem Gange. Die Jahreshauptversammlungen, die auch schon 1949 und 1952 wieder auswärts gewesen waren, konnten nunmehr bis auf zwei regelmäßig in größeren oder kleineren Orten der Regierungsbezirke Arnsberg und Detmold stattfinden. Nach dem geschäftlichen Teil konnte vielfach noch ein Baudenkmal besichtigt werden; dann stärkte man sich beim gemeinschaftlichen Mittagsmahl, um am Nachmittag mit einer Studienfahrt zu kunsthistorischen oder archäologischen Sehenswürdigkeiten seine Kenntnisse noch zu erweitern. Solange es noch Pfingstferien gab, konnte man einen dieser Tage dafür in Anspruch nehmen. Nach deren Wegfall hat man die Hauptversammlung mehrere Male an einem Samstag nachmittag in einem näher gelegenen Orte abgehalten und dabei auch jene Städte wieder besucht, die bei Tagesfahrten vernachlässigt wurden.

Die Wintervorträge erfreuten sich auch weiterhin eines guten Besuches. Sowohl Vereinsmitglieder in Paderborn wie Damen und Herren des Denkmalpflegeamtes, des Landesmuseums für Kunst und Kulturgeschichte und des Landesmuseums für Vor- und Frühgeschichte haben darin die Zuhörer mit neuen Ergebnissen ihrer Arbeit bekanntgemacht [FN19].

Besonders erfreulich waren in Paderborn selbst die Ergebnisse verschiedener Grabungen. 1949 überraschte Bernhard Ortmann, der sich auch sonst um Sicherung von Funden bei Erdbewegungen in Paderborn verdient gemacht hat, mit den Ergebnissen seiner Grabungen innerhalb und außerhalb der Abdinghofkirche [FN20]. Bei Grabungen im Dom und anschließenden Gelände konnten durch Friedrich Esterhues die Grundmauern einer älteren Kirchenanlage mit einem östlichen Dreikonchenabschluß freigelegt werden, die später als die Kirche von 777 erkannt wurde. 1958 bis 1961 ist auf Ortmanns Anregung ein Vierjahresgrabungsplan durchgeführt, der mit 120 000,- DM vom Land Nordrhein-Westfalen getragen und unter der Leitung des Vorsitzenden der Altertumskommission Westfalens, Prof. Dr. A. Stieren, zusammen mit dem Vereinsdirektor durchgeführt wurde. Bedeutsames Ergebnis war die Klärung der Lage von Wall und Graben der karolingischen Befestigung. Schließlich konnte Wilhelm Winkelmann 1964 mit Grabungen beginnen, bei denen die Reste der von Bischof Meinwerk erbauten Königspfalz, die Grundmauern der karlischen Pfalzen und der Königsthron von 799 gefunden wurden [FN21]. An all diesen Arbeiten nahmen die Mitglieder des Vereins in Besichtigungen und Vortragsveranstaltungen lebhaften Anteil.

Die Vereinszeitschriften konnten in dieser Zeit regelmäßig, wenn auch nicht immer termingemäß erscheinen. An der Gliederung der Westfälischen Zeitschrift in zwei Teilen, die von den Direktoren der beiden Abteilungen betreut werden, wurde festgehalten und damit sichergestellt, daß über Inhalt und Umfang jede Abteilung entscheiden kann. Die getrennte Seitenzählung wurde dagegen aufgegeben. Band 100 und die folgenden Bände haben eine einheitliche Seitenzählung.

1957 veröffentlichte Paul Michels im Auftrag und mit Beihilfe des Vereins sein Werk »Paderborner Inschriften, Wappen und Hausmarken« in einem Textband und einer Tafelbeilage. Als Hermann Nottarp 1962 seine umfangreiche Arbeit über das katholische Kirchenwesen der Grafschaft Ravensberg im 17. und 18. Jahrhundert zum Druck vorlegte, ermächtigte der Vorstand den Vereinsdirektor zur Herausgabe einer neben den Zeitschriften laufenden Reihe »Studien und Quellen zur westfälischen Geschichte«, in der die Arbeit von Nottarp Bd. 2 wurde und der 1957 erschienene Band nachträglich als Bd. 1 gelten sollte. 1975 erschien das Bürgerbuch der Stadt Driburg 1681-1877, hrsg. von H. W. Wichert und F. Verdenhalven, als 15. Band der Reihe. Die Einzelbände wurden von Anfang an den Vereinsmitgliedern beider Abteilungen zu einem Vorzugspreis angeboten.

Die Vereinsbibliothek konnte jährlich weiter ausgebaut werden. Das Archiv konnte um eine Reihe von Urkunden, Handschriften und Akten vermehrt werden. Einige anderswo lagernde handschriftliche Stücke konnten in Fotokopien eingestellt werden.

Das Museum des Vereins hat bis 1975 keine Unterkunft gefunden. Beim Tag der Westfälischen Geschichte in Paderborn 1955 hatte der damalige Kultusminister W. Schütz den Landeskonservator Dr. Rensing beauftragt, das ehemalige Amtsgericht an der Michaelstraße für die Zwecke eines Altertumsmuseum wieder aufzubauen. Die Verhandlungen begannen erfolgversprechend, kamen dann aber ins Stocken. Sie wurden später wieder aufgenommen; nun sollte aber das Diözesanmuseum im alten Amtsgerichtsgebäude unterkommen und für das Altertumsvereinsmuseum ein Anbau errichtet werden. Die Baupläne waren 1963 fertig und die Finanzierung gesichert. Vor Beginn der Arbeiten wurde aber erkannt, daß man die Fundamentierung des Anbaues nicht sorgfältig genug geprüft hatte. Sie würde, so hieß es nun, die ganze für das Museum des Altertumsvereins vorgesehene Summe verschlungen haben. Das ganze Projekt wurde dann aufgegeben. Die vorgeschichtlichen und frühgeschichtlichen Sammlungen sollen nun in der auszubauenden Meinwerkpfalz, die übrigen Museumsstücke in dem der Stadt gehörigen sog. Adam-Eva-Haus an der Hathumarstraße einen neuen Platz finden.

Es ist nun noch jener Männer zu gedenken, die mit den Vereinsdirektoren sich um das Wohl des Vereins bemüht haben. Als erster ist zu nennen Dr. Christoph Völker. In Faulungen (Eichsfeld) am 31. Mai 1890 geboren, am 3. August 1914 zum Priester geweiht, wurde er im gleichen Jahr zum Kaplan in Vörden (Krs. Höxter) ernannt. Hier hat er sich in seinen Mußestunden um die Geschichte von Land und Leuten seiner Heimat bemüht. 1921 sprach er auf der Hauptversammlung in Warburg über das Kloster Marienmünster. 1926 berief ihn Bischof Dr. Klein als Archivar an das Bistumsarchiv in Paderborn. Seit 1930 gehörte er dem Vorstand an. Unter seinen Aufsätzen in unseren Zeitschriften ist der anregendste der über den Marstall Meinwerks 1935 gewesen, der 1963 die Grabungen veranlaßte, die zur Auffindung der karolingischen Pfalzen geführt hat. Als Dr. Wurm unter dem Druck des Nationalsozialismus seinen Vorsitz niederlegen mußte, hat Völker dem geschäftsführenden Dr. Vedder treu zur Seite gestanden. Beim Bombenangriff auf Paderborn am 22. März wurde er in seiner Wohnung so schwer verletzt, daß er drei Tage später starb. [FN22]

Sehr viel länger hat Paul Michels sich für den Verein einsetzen können. Er stammte aus Geheim und kam 1919 im Alter von 37 Jahren als Stadtbaumeister nach Paderborn. Von 1921 an hat er dem Vorstand des Vereins angehört und überall, wo das ihm möglich war, für die Erhaltung kunstgeschichtlich und kulturgeschichtlich wertvollen Gutes gearbeitet. 1936 versetzten die damaligen Machthaber ihn in den Ruhestand. Er hat die Zeit zur denkmalpflegerischen und wissenschaftlichen Arbeit benutzt. Neben anderem zeigen auch unsere Zeitschriften von seinem Fleiß. Nach der Zerstörung Paderborns hat er in Wintervorträgen Lichtbilder des untergegangenen Paderborn vorgeführt und dafür viel Anerkennung gefunden. Er starb am 17. November 1970 im Alter von 88 Jahren. [FN23]

Zu den Stützen des Vereins hat auch lange Zeit Ignatz Pöppel gehört. In Paderborn geboren hat er hier als Lehrer viele Jahrzehnte in der Jugendbildung Hervorragendes geleistet, bis er 1946 Schulrat für den Kreis Höxter wurde. Im gleichen Jahre wurde er in den Beirat des Vereins gewählt. Er hat durch seine Vorträge und seine Beiträge in der Westfälischen Zeitschrift den Verein gefördert. Nach längerer Krankheit starb er am 6. Juli 1969 im Alter von 81 Jahren.

Unvergessen ist auch das Wirken von Propst Dr. Wilhelm Tack für den Verein. 1897 in Köln geboren ist er in frühester Jugend nach Paderborn gekommen. Er hat schon frühzeitig Interesse für die Paderborner Geschichte, dann aber vor allem für die Kunstgeschichte gehabt. Seine Dissertation über die Kapitellornamentik im Paderborner Dom veröffentlichte er 1938 in der Westfälischen Zeitschrift. Von da an hat er eifrig an dieser und der Zeitschrift Westfalen mitgearbeitet. Mit zahlreichen Lichtbildervorträgen zur Geschichte der kirchlichen Kunst im Paderborner Land hat er sich in unserem Verein aber auch in anderen Institutionen viele Freunde erworben. Bei den Studienfahrten des Vereins übernahm er die kunstgeschichtlichen Führungen. Die Unterbringung von Teilen des Vereinsarchivs in seiner Pfarrvikarie Hövelriege ermöglichte ihm ein eingehendes Studium dieser Schätze. Als Propst der Gaukirche in Paderborn (seit 1953) hat er sich um seine Pfarrgemeinde ebenso bemüht, wie er jedem half, der auf kunsthistorischem Gebiet seine Hilfe erbat. Sein unerwarteter Tod am 17. Mai 1961 hat die Vereinsmitglieder schwer betroffen [FN24].

Von denen, die lange Jahre dem Verein angehört und ihn durch ihre Mitarbeit gefördert haben, und so weiteren Kreisen bekannt geworden sind, sollen genannt werden Redakteur Hermann Abels, Paderborn (gestorben 1932) [FN25], Pfarrer Anton Gemmeke, Neuenheerse (gestorben 1938) [FN26], Bankleiter Heinrich Koch, lange Jahre Kassenwart des Vereins (gestorben 1961), Studienrat i. R. Ferdinand Menne, Ehrenmitglied, Arnsberg (gestorben 1958), Oberstudienrat i. R. Josef Rohrbach (gestorben 1967) [FN27], Oberstudiendirektor i. R. Hans von Geisau (gestorben 1972), Studienrat i. R. Otto Schnettler (gestorben 1974), Studienrat Wilhelm Marré, Warburg, später Volkmarsen (gestorben 1972).

Wie diesen verstorbenen Mitgliedern haben wir vielen anderen, die nicht genannt werden können, für ihren Einsatz für den Verein zu danken. Zu Beginn dieses Rückblickes konnte auf die intensive Anteilnahme der ältesten Mitglieder an den Arbeiten des Vereins hingewiesen werden. Wenn das in dieser Weise heute nicht mehr möglich ist, so ist doch jede Anregung willkommen und jedes Angebot zur Mitarbeit auf irgendeinem die heimatliche Tradition betreffenden Gebiet eine gern gesehene Hilfe.

Nicht übersehen sei der Hinweis auf die einträchtige Zusammenarbeit mit der Abteilung Münster des Vereins, und wenn oben die Namen verstorbener Mitglieder der Paderborner Abteilung zu dankbarer Erinnerung genannt sind, dann müssen auch zwei Namen verstorbener Mitglieder der Abteilung Münster genannt werden, denen auch wir viel verdanken, Landeskonservator i. R. Dr. Theodor Rensing (gestorben 1969) [FN28] und Landesverwaltungsdirektor Hans Thümmler (gestorben 1972) [FN29].

Der Hilfe, die der Landschaftsverband Westfalen-Lippe dem Verein allgemein und der Paderborner Abteilung im besonderen zukommen läßt, ist oben schon dankbar gedacht. Auch dem Kreis und der Stadt Paderborn, wie auch dem Erzbischöflichen Stuhl in Paderborn haben wir für regelmäßige finanzielle Unterstützung bzw. für die Bereitstellung von Sälen für unsere Veranstaltung zu danken.

Anmerkungen

1 WZ 57 (1899), II S. 153-171; WZ 82 (1924), S. IX-XXXVIII.
2 Die gesammelten Folgen wurden von Junfermann mit Titelblatt und Jahreszahl 1768 anonym herausgegeben. Das Exemplar Meyers mit Angabe des Autor in der Bibliothek des Altertumsvereins; vgl. dazu: Kl. Honselmann, Eine Paderborner Kirchengeschichte des 18. Jahrhunderts in Fortsetzungen, WZ 122 (1972), S. 290ff.
3 Vgl. die Aktenveröffentlichung von W. Leesch: Ignaz Meyers Vorschläge zur Betreuung der Archive aufgehobener Klöster und seine Beauftragung mit der Arbeit daran (1816/17), unten S. 1ff.; ferner: H. A. Erhard im Nekrolog für Meyer WZ 6 (1843), S. 319ff.
4 Erhard im Nekrolog für Meyer (wie Anm. 3), S. 322ff.
5 Vgl. in diesem Bande den Aufsatz von H. J. Brüning, Paul Wigands Tätigkeit in Bibliothek und Archiv zu Corvey.
6 Erhard hat im Nekrolog für Meyer (wie Anm. 3), S. 332 den Ablauf solcher Versammlungen eingehend geschildert.
7 Vgl. die Mitgliederliste 1824-1836 in WZ 124/125.
8 WZ 6, S. 334.
9 WZ 6, S. 310-341.
10 Die »Beiträge zur Geschichte Westfalens von J. 5. Seibertz, J. Kayser, W. Spancken und W. E. Giefers«, Paderborn: Schöningh 1866, die dem >Grafen Dietrich von Asseburg zu Hinnenburg in Erinnerung an den 30. August 1865 im Namen des Vereins gewidmet« sind, bringen über diese Versammlung gegenüber dem in WZ 26 5. 360-364 veröffentlichten einen weit ausführlicheren Bericht. Die begeisterte Stimmung die beim Besuch auf der Hinnenburg herrschte, als der Gastgeber die Teilnehmer auf der Burgterrasse mit Kaffee und Erfrischungen hatte bewirten lassen, faßte August Hoffmann von Fallersleben, der damals dem Verein beitrat, in Verse, die er selbst vortrug und in dem Berichte wiedergegeben sind. Über die Vereinsversammlung berichteten damals nicht nur die Paderborner Blätter, sondern auch der Westfälische Merkur (Münster), die Neue Preußische (Kreuz-)Zeitung (Berlin), die Allgemeine Zeitung (Augsburg) und einige kölnische Blätter.
11 Ein Nachruf von H. J. Wurm: WZ 89 (1932), S. 220-224. vgl. über ihn auch Lex. f. Theol. u. Kirche 6 (1961), Sp. 1067.
12 WZ 82 (1924), bes. S. Xff. und XXIXff.
13 Wortlaut des Vertrages: WZ 83 (1925), II S. 185f. Die Regelung hat sich bewährt.
14 Jahresbericht über das Museum vom 1.8.1937 in WZ 92, S. 186 ff.
15 Vgl. zum folgenden auch die Aktenveröffentlichung von F. G. Hohmann, Die Paderborner Abteilung des Vereins in den Berichten des Sicherheitsdienstes (SD) 1941/42, in dem die Arbeit im Verein eingehender behandelt ist.
16 Nachruf von A. Fuchs WZ 98/99 (1949), II S. 83f., ferner Die Einleitung von Hohmann zu dem in Anm. 15 genannten Beitrag.
17 Dazu: A. Hartlieb von Wallthor, Ein Jahrzehnt – Tag der westfälischen Geschichte 1949-1958. WZ 109 (1959) S.197ff.
18 Nekrolog von Kl. Honselmann in WZ 121 (1971) 5. 463-465. K. J. Schmitz, Alois Fuchs – Leben und Werk. Theologie und Glaube 62 (1972) S . 34-46.
19 Von Bd. 107 an sind in der Westfälischen Zeitschrift Kurzberichte über die im Winter in Paderborn gehaltenen Vorträge veröffentlicht, die die auswärts wohnenden Mitglieder wenigstens in Kürze unterrichten sollen.
20 Vgl. B. Ortmann, Baugeschichte der Salvator- und Abdinghofkirche in Paderborn auf Grund der Ausgrabungen 1949 bis 1956. WZ 107 (1957), S. 255-366.
21 Vgl. darüber W. Winkelmann, Die Frühgeschichte im Paderborner Land, in: Führer zu vor- und frühgeschichtlichen Denkmälern, Bd. 20 (1971), S. 87ff., darin die Pfalz Paderborn S. 91-121.
22 Nekrolog von Kl. Honselmann, WZ 98/99 (1949), II S. 85f.
23 Nachruf von Kl. Honselmann, WZ 120 (1970), S. 477f.
24 Nachruf von Kl. Honselmann, WZ 112 (1962), S. 357ff., ferner A. Fuchs, Propst Dr. Wilhelm Tack, Alte und neue Kunst im Erzbistum Paderborn, Bd. 12 (1962), S. 5-9; El. Lüke: Bibliographie der Schriften ebenda S.10-26.
25 Würdigung im Westf. Volksblatt 1932 vom 1. u. 9. Juni.
26 Nachruf von Chr. Völker, WZ 94 (1938), II S.297ff.
27 Nachruf von R. Kiepke, Die Warte 28 (1967), S. 49.
28 Gedenkrede von F. Petri; Westfalen 47 (1969), S. 101-108.
29 Nachruf von K. E. Mummenhoffs, Westfalen 50 (1972), S. 6-8.

(Aus: Westfälische Zeitschrift 124/125, 1974/1975, S. VI-XX)