Hermann-Josef Schmalor
Zur Geschichte der Bibliothek
Zu den ältesten und umfangreichsten Sammlungen gehören das Vereinsarchiv und die Vereinsbibliothek. Beide bildeten zunächst eine Einheit, die bis 1886, als das eigenständige Amt eines Vereinsarchivars eingeführt wurde, bestehen blieb. Schon bald nach der Gründung wurden dem Verein Bücher und Archivalien überwiesen. Der fürsorgenden Umsicht und Aufmerksamkeit der ersten Vereinsvorstände, aber auch der einfachen Mitglieder ist es zu verdanken, daß große Bestände landesgeschichtlicher Materialien zusammengetragen werden konnten, insbesondere Handschriften, Akten und Urkunden der aufgehobenen Klöster, aber auch Schriftgut staatlicher und kommunaler Provenienz. Ebenso trugen Nachlässe und private Schenkungen zum Wachstum des Archivbestands bei.
Die jeweils neu erscheinende Literatur zur Landesgeschichte wurde umfassend erworben; durch einen umfangreichen Tausch mit den Zeitschriften anderer Geschichtsvereine in allen deutschen Ländern und bedeutenden ausländischen Institutionen entstand nach und nach eine Bibliothek, deren Wirkungskreis zwar vor allem Westfalen und die umliegenden Gebiete einschloß, die aber auch weit über diesen geographischen Rahmen hinaus die wichtigste historische Literatur anbieten konnte.
Diese Sammlungen wurden zunächst nacheinander an unterschiedlichen Orten höchst unzulänglich untergebracht (vgl. oben die allgemeine Einführung), bis sich seit dem Jahr 1886 der Oberpostsekretär Bernhard Stolte (1848-1927), ein äußerst tatkräftiger und umsichtiger Mann, um die nunmehr auch bereits sehr umfangreichen und wertvollen Bestände des Vereins kümmerte, die sich mittlerweile im Rathaus befanden.
In einer Denkschrift vom 4. März 1909, die vermutlich auch von ihm verfaßt wurde (AV-Archiv, in Acta 368), wies er eindringlich auf die Notwendigkeit einer geeigneten und würdigen Unterbringung im Rathaus und auf die Dienste und auch die Verdienste des Vereins für die kulturellen Aufgaben und Pflichten der Stadt gegenüber ihren Bürgern hin. In dieser Schrift werden auch erstmalig die Vereinssammlungen im Zusammenhang beschrieben: Die Bibliothek umfaßte laut Denkschrift im Jahre 1909 „mit Einschluß der Broschüren nicht unter 10.000 Bände … Sie zeichnet sich durch den Reichtum an wertvollen und älteren Werken aus, die heute kaum mehr auf den Antiquariatsmarkt kommen.“ Trotz dieser eindrucksvollen Darstellung, die im übrigen auch über fünf Seiten hinweg die wertvollsten Museumsgegenstände aufführt, konnte der Verein nur noch einen kleinen Raum für die Museumsbestände im Rathaus behalten. Archiv und Bibliothek wurden mit Genehmigung des Paderborner Bischofs Karl Joseph Schulte im Jahr 1915 in den 1913/14 errichteten Neubau der Bischöflichen Akademischen Bibliothek überführt, wo sie sich auch heute noch befinden. Am 25. März 1925 wurden Benutzung und Verwaltung von Vereinsarchiv und –bibliothek vertraglich geregelt (Vertrag zwischen dem „Verein für Geschichte und Altertumskunde Westfalens, Abteilung Paderborn“ <Altertumsverein> und der Bischöflichen Akademischen Bibliothek zu Paderborn <Bibliothek> über die Nutzung von Vereinsbibliothek und Vereinsarchiv. In: Westf. Zeitschrift 83 II <1925>, S. 184 – 186.) Im Anschluß an die 60-jährige Laufzeit des Vertrages wurde 1985 eine neue Vereinbarung mit ähnlichen Bedingungen abgeschlossen.
In dieser Zeit, also seit 1915, wurden Bibliothek wie auch Archiv beständig vermehrt. Während sich der Zuwachs des Archivs mehr auf zufällige Erwerbungen und weniger auf gezielte Ankäufe erstreckte, wurde für die Bibliothek kontinuierlich die neue landesgeschichtliche Literatur angeschafft. Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs waren dank der umsichtigen Bemühungen des damaligen Bibliothekars der Akademischen Bibliothek, Dr. Klemens Honselmann, die Archivbestände ausgelagert. Sie überstanden daher bis auf einige wenige Stücke die Bombenangriffe. Auch die Bibliothek konnte fast komplett gerettet werden, da sie sich in einem Teil des Bibliotheksgebäudes befand, der zwar auch stark beschädigt, aber nicht völlig zerstört worden war. Im November 1948 kamen die Archivalien wieder zurück nach Paderborn in die wieder aufgebaute Bibliothek.
Bestände
Derzeit umfaßt die Vereinsbibliothek rund 25.000 Bände, davon etwa 5.600 Bände historischer Bestand (16.-19. Jahrhundert, ohne Zeitschriften), 14 Inkunabeln und 27 mittelalterliche Handschriften (die neuzeitlichen Handschriften sind in der Archivabteilung Codices erfaßt). An neuer Literatur werden etwa 250 Bände pro Jahr erworben. Auch der Zeitschriftentausch konnte ausgebaut werden, so daß heute jährlich 200 Zeitschriftenbände von anderen in- und ausländischen Geschichtsvereinen eingestellt werden können. Die Vorkriegsbestände der Zeitungen (insbesondere Westfälisches Volksblatt) befinden sich im Original als Depositum im Stadtarchiv.
Erschließung
Da die Erschließung der Archiv- und Bibliotheksbestände sehr umfangreich und aufwendig ist, kann im Zusammenhang dieses Sammlungsinventars des Altertumsvereins lediglich auf die vorhandenen Kataloge, Inventare und Verzeichnisse hingewiesen werden:
- Verzeichniss der Bücher der Bibliothek des Vereins für Geschichte und Alterthumskunde Westfalens (Abtheilung Paderborn). Paderborn: Ph. Herle & Comp. 1856. 69 S. Ältestes Verzeichnis der Vereinsbibliothek, anonym erschienen, mit rund 800 Buchtiteln, alphabetisch nach Verfassern geordnet, 90 Zeitschriften auswärtiger Geschichtsvereine und 47 Manuskripte.
- Stolte, Bernhard: Verzeichnis der Büchersammlung des Vereins für Geschichte und Alterthumskunde Westfalens, Abtheilung Paderborn. Paderborn: Junffermann 1893. VII, 282 S.
- Systematisches Verzeichnis der bis zum Erscheinungsjahr angeschafften Bücher der Vereinsbibliothek mit alphabetischem Autorenverzeichnis, enthält rund 4.000 Titel, die heute allerdings nicht mehr alle vorhanden sind (vorwiegend Verluste im Zweiten Weltkrieg); bietet für die älteren Bibliotheksbestände einen systematischen Zugriff, der bei den späteren Bestandserschließungen aufgegeben wurde.
- Die Inkunabeln in der Erzbischöflichen Akademischen Bibliothek Paderborn. Von Matthias Hartig, Karl Hengst, Michael Reker, Hermann-Josef Schmalor. Wiesbaden: Harrassowitz 1993. Hier sind die Inkunabeln des Vereins mitverzeichnet unter den Nummern: 1, 11, 84, 124, 128, 339, 379, 439, 479, 510, 530, 576, 591, 598.
- Hinz, Ulrich: Verzeichnis der mittelalterlichen Handschriften in Paderborn. In: Karl Hengst (Hrsg.), Ein Jahrhundert Akademische Bibliothek Paderborn. Zur Geschichte des Buches in der Mitteldeutschen Kirchenprovinz mit einem Verzeichnis der mittelalterlichen Handschriften in Paderborn (Veröffentlichungen zur Geschichte der mitteldeutschen Kirchenprovinz, 10). Paderborn 1996. S. 92 – 130, hier S. 120-126. Hier sind die 27 mittelalterlichen Handschriften des Vereins mitverzeichnet. Räumlich sind diese Handschriften dem Archivbestand zugeordnet (Abteilung Codices). Da es sich jedoch vorwiegend um literarische Texte handelt, gehören sie inhaltlich und formal eher in den Bibliotheksbereich.
- Stadtarchiv Paderborn. Findbuch M 10/1: Mikrofilme von Zeitungen und Zeitschriften. Datenstand: 29.1.1998. Die Filme enthalten ca. 25 Zeitungen und Zeitschriften mit Paderborner bzw. westfälischen Bezügen, u.a. die Zeitungsbestände des Vereins, die als Depositum im Stadtarchiv liegen. Die Filme können im Stadtarchiv selbst, aber auch in der Akademischen Bibliothek benutzt werden.
Der gesamte Bibliotheksbestand (Druckschriften einschließlich der von Stolte publizierten Titel) ist erschlossen im Alphabetischen Katalog der Erzbischöflichen Akademischen Bibliothek; bis Erscheinungsjahr 1990 im Zettelkatalog, danach als EDV-Katalog, der allerdings auch bereits zahlreiche ältere Titel enthält. Die sachliche Erschließung erfolgte 1942 bis 1990 durch einen Schlagwortzettelkatalog, ab 1990 durch Schlagwörter (RSWK) im EDV-Katalog. Alle Titel wurden bis 1990 an den Zentralkatalog Nordrhein-Westfalen in Köln gemeldet und werden in die Datenbank des Hochschulbibliothekszentrums Nordrhein-Westfalen (HBZ) ingearbeitet. Die maschinenlesbaren Katalogdaten (komplett ab 1990, in Auswahl auch vorher) sind enthalten im elektronischen Katalog der Erzbischöflich Akademischen Bibliothek Paderborn, der auch im Internet (Erzbischöfliche Akademische Bibliothek Paderborn) abrufbar ist. Dadurch stehen die Bestände weitesten Interessentenkreisen, insbesondere dem Deutschen und Internationalen Leihverkehr zur Verfügung.
Literatur
(zu Archiv und Bibliothek insgesamt oder größeren Teilbeständen)
Neben den Ausführungen der Vereinsdirektoren bzw. Schriftführer in ihren Jahresberichten / Chroniken über Archiv und Bibliothek (Westf. Zeitschrift) sind folgende Titel zu nennen:
- Honselmann, Klemens: Archiv und Bibliothek. In: Westf. Zeitschrift 100 (1950), S. 385-386.
- Müller, Rolf-Dietrich: Archive in Paderborn. Paderborn 1986, S. 65-66.
- Skutnik, Hermann-Josef: Bibliothek des Vereins für Geschichte und Altertumskunde Westfalens, Abt. Paderborn. In: Handbuch der historischen Buchbestände. Bd. 4: Nordrhein-Westfalen 2. Hildesheim, Zürich, New York: Olms-Weidmann 1993, S. 269-271.
- Hoffmann, Christian: Die schriftliche Überlieferung westfälischer Adelsgüter im Archiv des Vereins für Geschichte und Altertumskunde Westfalens, Abteilung Paderborn (Nordborchen, Bockum,
- Engar, Essentho). In: Archivpflege in Westfalen und Lippe 47 (April 1998), S. 32 – 36.
- Hoffmann, Christian: „… die alten Schriften auf die Miste geworfen …“ Die Archivalien der Adelsgüter Bockum und Engar im Archiv des Paderborner Altertumsvereins. In: Westf. Zeitschrift 148 (1998), S. 367 – 388.
- Hoffmann, Christian (INA NF 16, 1999; s.o.): Einleitung [mit kurzer Darstellung der Geschichte des Vereinsarchivs].
Die Literatur zu einzelnen Stücken aus Bibliothek und Archiv ist sehr zahlreich und wird in eigenen Ordnern gesammelt.