Paderborner Altertumsverein dokumentiert wertvollen Hortfund aus dem 17. Jahrhundert

Die Sammlung und Erforschung vielfältiger Materialien zur Geschichte Westfalens – v.a. von Archivalien, Büchern, Münzen oder Kunst- und Alltagsgegenständen – zählt zu den originären Aufgaben des Altertumsvereins Paderborn seit seiner Gründung 1824. In diesem Jahr feiert der Verein, der zu den ältesten historischen Vereinen Deutschlands gehört, seinen 200. Geburtstag. „Neben den Vorbereitungen im Jubiläumsjahr gehen die eigentlichen Arbeiten natürlich weiter“, berichtet Prof. Dr. Michael Ströhmer. Gemeinsam mit der Archäologin Marianne Moser M.A. , die als Kustodin die Archäologische Sammlung des Vereins betreut, besucht er Dr. Sonja Hermann (Uni Bonn), die aktuell verschiedene Funde der umfangreichen archäologischen Sammlung für ein Inschriftenbuch dokumentiert. Darunter befindet sich ein sogenannter „Hortfund“ aus der Frühen Neuzeit. „Bei dem Bodenfund handelt es sich um insgesamt acht Zinnschüsseln und einen Bronzegrapen, die wohl 1956 unter der Diele eines Hauses an der Mühlenstraße geborgen worden sind. Das wertvolle Geschirr ist für die Stadtgeschichte von besonderem Interesse, weil mindestens drei der Schüsseln auf ihrer Bodenunterseite mit ungelenken Besitzerinschriften versehen sind“, weiß Michel Ströhmer. „Sie gehörten vermutlich dem Paderborner Bürger Johann tor Breden.“  Die Familie Zur Breden lässt sich seit den 1570er Jahren im Bürgerbuch der Stadt nachweisen und lebte damals in der Maspernbauerschaft. Ein „Johann“ und „Kersting“ zur Breden werden im „Kampf um Paderborn“ um 1600 als Anhänger des protestantischen Bürgermeisters Liborius Wichard in den Akten geführt. Dieser wurde 1604 vom Fürstbischof Dietrich von Fürstenberg in einem Schauprozess zum Tode verurteilt und anschließend gevierteilt.

Genau hingeschaut: Die Archäologin Marianne Moser kümmert sich zusammen mit Ralf Otte M. A. seit vielen Jahren als Kustodin um die umfangreiche archäologischen Sammlung des Paderborner Altertumsvereins, die Dr. Sonja Herrmann aktuell fotografiert und dokumentiert. Die Objektbeschreibung des Hortfundes wird im Jubiläumsband des Paderborner Altertumsvereins aufgenommen/ zu lesen sein, der zum 200. Geburtstag im Herbst erscheinen wird.

Über Johann zur Breden: Johann tor Breden, seit 1571 eingetragener Bürger im Stadtquartier Maspernbauerschaft, erlebte zusammen mit seinem Sohn Kersting die politischen und religiösen Auseinandersetzungen um die Niederschlagung der Reformation in Paderborn.

Zeitgenössische Quellen berichten, dass beide Anfang Februar 1602 unter dem protestantischen Bürgermeister Liborius Wichard die „große Empörung und Rebellion“ gegen den amtierenden Stadtrat mit angeführt hätten. Hierbei wurden die Ratsherren im oberen Saal des damals noch gotischen Rathauses drei Tage lang inhaftiert. Nach Niederschlagung dieser ersten Bürgerrevolte zählte die Familie tor Breden womöglich zur Anhängerschaft Wichards, dessen „Kampf um Paderborn“ 1604 mit seiner Hinrichtung durch Fürstbischof Dietrich v. Fürstenberg blutig endete. Dessen siegreiche Söldner wurden nach der Eroberung der Stadt bevorzugt in jenen „rebellischen“ Haushalten einquartiert, die als Anhänger des hingerichteten Bürgermeisters galten. Ob hiervon auch das Wohnhaus des Johann zur Breden in der heutigen Mühlenstraße betroffen war, kann nur vermutet werden. Der weitere Verbleib der Familie mit Kersting, seiner Ehefrau Anna Starcken und einer Margarethe thor Breden in der Stadt ist noch für die nächsten 24 Jahre bis 1628 belegt. Damit dürften die Zur Breden auch die Frühphase des Großen Krieges miterlebt haben, die wie 1604 mit mehrfachen Einquartierungen beutehungriger Soldateska einhergegangen war. Somit dürfte sich für die Hausbewohner zwischen 1621/22 (Stadtbesetzung durch Herzog Christian v. Braunschweig) und 1628 vermutlich mehrfach die Notwendigkeit ergeben haben, ihren wertvollen Hausrat vor Diebstahl kurzfristig unter dem Deelenboden in Sicherheit zu bringen. Die Familie tor Breden lebte noch bis Mitte der 1620er Jahre in Paderborn, bevor sich ihre Spur in den Wirren des Dreißigjährigen Krieges verliert. Ob sie vor dem Verlassen ihres Hauses ihr Kücheninventar unter den Dielenbrettern vor plündernden Soldaten o. ä. verborgen hat, bleibt jedoch spekulativ.

 

 

 

Über den Hortfund:

Insgesamt wurden unter dem Holzboden des Hauses in der Mühlenstraße acht Zinnschüsseln entdeckt. Fünf der acht Zinnschüsseln hatten ein Ursprungsgewicht von vier Bremer Pfund (ca. 2000 g), bei den übrigen drei Exemplaren handelt es sich um ehemalige „Dreipfünder“ (ca. 1500 g). Auf den Vierpfündern I und V haben sich jeweils drei parallel eingeschlagene Meister-Marken mit den Initialen „C. D.“ erhalten. Es könnte sich hierbei um den Bremer Kannegießer Claus Detmers (ca. 1573–1603, Meyer-Eichel 1931, S. 86) handeln, da Zinnimporte aus der größeren Hafenstadt in die kleinere Hansestadt Paderborn für die erste Dekade des 17. Jahrhunderts belegt sind. Der Gesamtwert aller acht Schüsseln, welcher sich primär am Materialeinsatz bemaß, lag um 1600 bei ca. sieben bis acht Reichstalern. Dieser Einkaufspreis entsprach ungefähr dem Monatslohn eines Maurerpoliers, der am Paderborner Rathausneubau (1613–18) beschäftigt war.