Prof. Dorothea Weltecke (Universität Frankfurt)
Religiöse Gewalt im Mittelalter. Vortrag in Kooperation mit dem Historischen Institut der Universität Paderborn.
Religiöse Gewalt ist in der öffentlichen Diskussion heutzutage sehr präsent; sie scheint eine direkte Folge des Absolutheitsanspruches der Religionen zu sein. Allerdings ist die Beziehung zwischen Ideologie und konkreten Gewaltereignissen doch sehr viel weniger einfach, wie sozialwissenschaftliche Studien zeigen. Selbst die grundlegende Frage, ob Religion die Ursache von Gewalt ist, wird hier kontrovers diskutiert. Auch Historiker haben sich viel und detailliert mit religiösen Gewaltakten und den theologischen Rechtfertigungslehren auseinandergesetzt, doch haben sie diese Studien bisher nicht systematisch auf die Diskussionen in der neueren Gewaltforschung bezogen. Welchen Beitrag die Geschichtswissenschaft über die Untersuchung der Einzelereignisse hinaus zur Erforschung von religiöser Gewalt und damit zu den Problemen der Gegenwart leisten kann, diese Fragen werden im Zentrum des Vortrages von Frau Prof. Dr. Dorothea Weltecke stehen. Dabei wird sie den Blick auf religiöse Kriege wie Kreuzzüge und Dschihad, aber auch auf die Formen der religiösen Gewalt richten, die gegen die andersreligiöse Bevölkerung in den jeweiligen christlichen oder islamischen Herrschaften im Mittelalter ausgeübt wurde.
Dorothea Weltecke lehrt seit 2017 an der Goethe-Universität Frankfurt und leitet zugleich die Forschungsstelle für Aramäische Studien. Ihre Forschungen gelten der Geschichte der Religionen, den lateinischen und orientalischen Kirchen sowie den religiösen Devianzen im Mittelalter. Daraus hervorgegangen sind ihre Studie über den jüdischen Geschichtsschreiber Mōr Michael den Großen und das vielbeachtete Buch über Atheismus und Unglauben im Mittelalter. Das Thema des Paderborner Vortrages ist Teil ihres aktuellen Forschungsprojekts über die ‚Religiöse Komplexität und die Entstehung der Religionen (8. bis 15. Jahrhundert)‘, für das sie unlängst mit dem Fellowship am Historischen Kolleg München ausgezeichnet wurde.